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Ziele erreichen – mit Erfolgsjournalen

Der Langsamste, der sein Ziel nur nicht aus den Augen verliert, geht immer noch geschwinder als der, der ohne Ziel herumirrt – Gotthold Ephraim Lessing

Persönliche Ziele zu erreichen ist schwer. Viele Leute führen deshalb ein Erfolgsjournal um darin besser zu werden. So ein Journal ist eine Art Tagebuch das durch Coaching-Tipps angereichert ist. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von diesen Büchern mit leicht unterschiedlichen Schwerpunkten, von denen ich einige am Ende aufliste.

Die Bücher beginnen mit einem bis zu 70-Seitigen Coaching-Teil, in dem man in der Regel aufgefordert wird, seinen Status Quo zu bestimmen und sich Ziele für die Zukunft zu setzen. Das wird mal mehr mal weniger starr vorgegeben und mal mehr und mal weniger wissenschaftlich begründet.

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Das eher generische Lebensrad aus dem Dranbleiben Journal (Link siehe unten)

Der Einleitung mit dem Coaching-Abschnitt folgt der eigentliche Praxis-Teil, ein Kalender mit Tagebuch-Eigenschaften, der möglichst täglich gepflegt werden soll, um den Fokus auf die Zielerreichung immer wieder aufzufrischen. Zudem gibt es im Kalender-Teil meist noch inspirierende Zitate oder Fragen, welche die Reflexion unterstützen, wann man abgelenkt wurde und wo man guten Fortschritt gemacht hat.

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Eine Beispiel-Woche aus dem Klarheit Journal (Link siehe unten)


21/90 Erfolgsjournal* – 90 Tage Master-Plan mit 3-Wochen-Sprints; Fokus auf messbarer Zielerreichung, Verbindung mit Unternehmens-OKRs möglich

 


6-Minuten-Tagebuch* – Tagebuch mit 3 min Morgenroutine und 3 min Abendroutine, 70-seitige Coaching-Einleitung.

 


Dran Bleiben* –  Fokus auf genau ein Ziel. 45 Seiten Coaching Einleitung. Kalender deckt 90 Tage ab, keine Wochen- oder Monatsübersicht.

Ein guter Plan* – Coaching-Teil mit Fokus auf Achtsamkeit – Wochenpläne und Monatsreflexion

 

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Klarheit* – Kalenderteil für ein ganzes Jahr (in Wochen strukturiert) – 25 Seiten Coaching-Teil

 


The New You* – Coaching-Teil mit Fokus auf glücklichem Leben – Kalenderteil für das ganze Jahr

Über die Links kann man einige Seiten der Bücher durchblättern, um sich einen Überblick zu verschaffen, welches zu einem passt. Ich selbst benutze zur Zeit das Klarheit-Journal.  Ich freue mich über Kommentare und Ergänzungen, vor allem, wenn der eine oder andere ebenfalls Erfahrungen mit einem Erfolgsjournal gesammelt hat.

Über viele Ansätze aus den Büchern habe ich bereits unter der Überschrift Selbstorganisation gebloggt. In den nächsten Beiträgen befasse ich mich tiefer mit der Definition persönlicher und organisatorischer Ziele. Dieser Artikel dient daher als Einstieg zum Thema, welches ausschlaggebend für die persönliche Weiterentwicklung ist. Ich hoffe deshalb, dir hat dieser kleine Ausflug gefallen und du hast selbst Lust bekommen, dich stärker mit deinen Zielen zu beschäftigen. Vielleicht ja auch mit einem Journal als Hilfsmittel.

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Holger Tewis ist Agile Enterprise Coach
www.holgertewis.de

Innerer Verantwortungsprozess

Die Verantwortung für sich selbst ist die Wurzel jeder Verantwortung – Mong Dsi (300 v. Chr.)

Wie im vorletzten Blog-Beitrag beschrieben, bedeutet verantwortlich zu handeln, dass “das jeweils Notwendige und Richtige getan wird und möglichst kein Schaden entsteht”. Im Prinzip ist es also ganz einfach: Man lotet seine Optionen aus und entscheidet sich aktiv für die beste.

Leider gelingt es uns Menschen oft nicht einen kühlen Kopf zu bewahren. Gerade in schwierigen Situationen durchlaufen wir eine ganze Kette von emotionalen Zuständen, die uns die Natur mitgegeben hat. Ich möchte zwei Modelle beschreiben, die unterschiedliche Blickwinkel auf diese emotionale Reise geben:

  • Trauerkurve
  • Responsibility Process

Trauerkurve – noch geschockt oder schon frustriert?

Die Trauerkurve bei Veränderungsprozessen gibt es mittlerweile in vielen Varianten. Sie beschreibt verschiedene emotionale Zustände, die jeder von uns mit unterschiedlichem Tempo durchläuft. Veränderungen können dabei durch die unterschiedlichsten Situationen ausgelöst werden, von Offensichtlichem wie einer Entlassungswelle, bis hin zu eher subtilen Veränderungen wie der Einführung neuer Software.

trauerkurve scrumburgSobald man merkt, dass eine Veränderung naht, sinken Moral und Produktivität. Die betroffenen Menschen beginnen sich Sorgen zu machen was passieren wird und in welchem Ausmaß sie davon betroffen sind. Sobald die Veränderung verkündet ist, braucht man eine gewisse Zeit um den Schock zu überwinden. Es folgt Abwehr und wenn diese nichts bringt, stellt sich Frustration ein. Schließlich beginnt man sich mit der Veränderung zu arrangieren. Man nimmt Abschied und öffnet sich für einen konstruktiven Umgang mit der neuen Situation, bis diese vollständig in den Alltag integriert ist.

Jeder durchläuft die Kurve in einer anderen Geschwindigkeit. Und wer früher in die Veränderung eingebunden wird, ist emotional in der Regel auch schon weiter. Das führt unter Umständen dazu, dass das lang informierte Management schon in der Abschiedsphase ist, während die vor kurzem involvierte Belegschaft noch in der Abwehr-Haltung ist.

Responsibility Process

Auch der Responsibility Process von Avery beschreibt emotionale Phasen, die man nacheinander durchläuft. Während man sich bei der Trauerkurve eher als Opfer der Veränderung sieht, möchte der Responsibility Process dabei helfen aus dieser Rolle herauszukommen und Verantwortung zu übernehmen. Er kennt sieben Stufen:

  1. DENIAL: Das Leugnen der Situation.
  2. LAY BLAME: Die Schuldzuweisung an andere.
  3. JUSTIFY: Die Erklärung der Situation durch höhere Umstände.
  4. SHAME: Man beginnt den Fehler bei sich selbst zu suchen.
  5. OBLIGATION: Handeln aus Verpflichtung, um Erwartungen anderer gerecht zu werden. Hierbei fühlt man sich schlecht.
  6. QUIT: Flucht. Man ignoriert das Problem.
  7. RESPONSIBILITY: Handeln in Verantwortung. Man lotet Optionen aus und entscheidet sich für die Option, mit der man das beste Gefühl hat.

Diese Stufen werden nacheinander durchlaufen, bevor man sie mit QUIT, OBLIGATION oder RESPONSIBILITY abschließt. Ziel ist, möglichst immer in RESPONSIBILITY zu handeln. Nur dann fällt die Last von einem ab und man kann sich wieder zu 100% engagieren. Ein ausführliches Beispiel inkl. passender Übung findet ihr HIER.

Literatur:

(1) Christopher Avery 2016: The Responsibility Process*: Unlocking Your Natural Ability to Live and Lead with Power: Partnerwerks

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Team-Verantwortung oder Einzel-Verantwortung

Wenn Spinnen vereint weben, können sie einen Löwen fesseln – Äthiopisches Sprichwort

Viele glauben, dass Verantwortung für ein Thema immer bei genau einer Person liegen sollte. Dies wird gerechtfertigt mit Sprüchen wie: “Sind alle zuständig, dann trägt keiner Verantwortung.” oder “Viele Köche verderben den Brei.”

Natürlich ist es schlecht, wenn sich keiner verantwortlich fühlt, aber in manchen Fällen macht es die Benennung einer einzelnen Person noch schlimmer. Das kann man in einigen Unternehmen am Zustand der Büroküche sehen. Räumt die Reinigungsfachkraft mehrfach am Tag auf, machen sich wenige Mitarbeiter noch die Mühe ihre Kaffeetasse selbst in den Geschirrspüler zu stellen. Wenn die Fachkraft dann ausfällt, wird die Küche innerhalb weniger Stunden zum Saustall.

Verhalten sich die Mitarbeiter bei der Produktentwicklung genauso, entstehen Produkte, die qualitativ minderwertig sind oder die Entwicklung wird schneckenlangsam, weil überall auf den einen gewartet wird, der verantwortlich ist, sei es für Design, Architektur, Implementierung oder Qualitätssicherung.

Deswegen ist es oft eine gute Idee, die Verantwortung nicht auf einzelne Personen, sondern auf ein ganzes Team zu übertragen. Ein Scrum Entwicklungs-Team wird zum Beispiel immer als ganzes in die Verantwortung genommen:

Einzelne Mitglieder des Entwicklungsteams können zwar spezialisierte Fähigkeiten oder Spezialgebiete haben, aber die Rechenschaftspflicht obliegt dem Team als Ganzem. (Scrum Guide)

Es braucht bestimmte Rahmenbedingungen, damit Teams wirklich mehr sind als nur die Summe ihrer Mitglieder. Das Aristoteles Projekt von Google hat folgende Faktoren von effektiven Teams festgestellt:

  • Psychologische Sicherheit: Die Teammitglieder fühlen sich sicher dabei, Fragen oder Ideen zu äußern, ohne als unwissend, inkompetent, negativ oder störend abgestempelt zu werden.
  • Verlässlichkeit: Die Mitglieder liefern ihre Arbeit zuverlässig, pünktlich und in hoher Qualität ab
  • Struktur und Klarheit: Jeder versteht, was von ihm erwartet wird, wie er die Erwartungen erfüllen kann und wie sich die eigene Leistung auf die Teameffektivität auswirkt. Spezifische, herausfordernde aber erreichbare Ziele.
  • Sinnhaftigkeit: Das Erkennen eines Sinns in der Arbeit selbst oder in ihrem Ergebnis.
  • Auswirkung: Das Gefühl einen signifikanten Unterschied zu machen.

Wenn es um Richtungsentscheidungen, Ziele und Prioritäten geht, ist es dagegen meistens besser einen einzelnen Verantwortlichen zu haben. Ansonsten entstehen Machtkämpfe oder faule Kompromisse. Ein Scrum Product Owner ist zum Beispiel immer genau eine Person, keine Komitee oder eine Doppelspitze.

Es sollte also eine Person geben, die das Was? festlegt und die Richtung vorgibt und ein Team, welches das Wie? bestimmt und die Umsetzung macht. Dabei kann es verschiedene Strategien geben, wie man Teams führt. Henrik Kniberg hat zum Beispiel für Spotify beschrieben, wie dort viele Teams gemeinsam an einem Produkt arbeiten. Die Teams sollen dort möglichst autonom agieren, damit sie nicht auf andere warten müssen. Gleichzeitig brauchen die Teams eine gute gemeinsame Ausrichtung (Alignment), damit das Produkt am Ende aus einem Guss ist und nicht zu einem Frankenstein-Monster wird. spotify

Im nächsten Beitrag betrachten wir den inneren Verantwortungsprozess aus der Reihe zum Circle of Personal Agility.

Literatur:

(1) Charles Duhigg 2016: What Google Learned From Its Quest to Build the Perfect Team: New York Times

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Verantwortung & Macht

“Ich übernehme die volle Verantwortung!”

Ein Satz, den man oft zu hören bekommt, wenn etwas schief gelaufen ist. Meistens tritt der Sprecher dann sofort von allen Ämtern zurück oder macht einfach gar nichts – die Aussage genügt sich selbst.

Was bedeutet es, wenn man Verantwortung hat oder übernimmt? Die Definition aus dem Duden beschreibt Verantwortung so:

[mit einer bestimmten Aufgabe, einer bestimmten Stellung verbundene] Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass (innerhalb eines bestimmten Rahmens) alles einen möglichst guten Verlauf nimmt, das jeweils Notwendige und Richtige getan wird und möglichst kein Schaden entsteht (Duden)

Ein Beispiel macht es anschaulicher: Stellen Sie sich vor Sie seien Ersthelfer bei einem Unfall mit Personenschaden:

Aufgabe: Erste Hilfe leisten
Stellung: Ersthelfer
Verpflichtung: Hilfe holen und helfen
Rahmen: Ihre Fähigkeiten und Erfahrungen
Guter Verlauf: Sicherung der Unfallstelle, Versorgung der verletzten Personen, Gefährdungssituation beseitigt
Tätigkeiten: Umgebung absichern, Notruf absetzen, Ansprechbarkeit prüfen, Gesundheitszustand der Person ermitteln, stabile Seitenlage herstellen, Herz-Druck-Massage etc.

Der Grad der Verantwortung hängt also nicht ausschließlich von der Aufgabe, sondern auch von der Rolle (Stellung) Ersthelfer ab. Ein ausgebildeter Notarzt oder Rettungssanitäter hätte bei gleicher Aufgabe eine viel größere Verantwortung.

In Unternehmen verhält es sich ähnlich. Geschäftsführung und Management sind für das Tragen von Verantwortung und den Umgang der damit verbundenen Macht hoffentlich entsprechend ausgebildet oder wenigstens besser darauf vorbereitet, als ihre Mitarbeiter.

Verantwortung und Macht im richtigen Maß

Macht und Verantwortung sind untrennbar miteinander verbunden – Konrad Adenauer.

Bei wachsender Unternehmensgröße kann die Ansammlung von zuviel Verantwortung an einer zentralen Stelle sich schnell negativ auswirken. Der Entscheider wird zum prozessualem Flaschenhals der Organisation. Hier ist Delegieren im richtigen Maße gefragt: die Entscheidung wer, welche und wie viel Verantwortung und Macht für wie lange und für welche Situationen übertragen bekommt.

Frisch ernannte Führungskräfte fallen oft in eines von zwei Extremen. Viele starten als Micro-Manager, bestimmen überall mit und geben keine Verantwortung und Macht ab. Ihre Mitarbeiter entscheiden nichts alleine und sichern sich laufend beim Manager ab. Der Manager wird zum Flaschenhals.
Andere Jung-Manager setzen auf maximale Freiheit ohne jegliche Rahmenbedingungen. Ihre Mitarbeiter entscheiden alles selbst, aber es gibt keine gemeinsame Linie, so dass die Abteilung wenig erreicht oder sogar gegeneinander gearbeitet wird. Dies kann im weitesten Sinne als natürliche Selbstorganisation verstanden werden, führt jedoch nur selten zum langfristigen Überleben der Organisation. Bereits ab ein paar Dutzend Menschen im Unternehmen kann der einzelne Mitarbeiter nicht mehr die Auswirkungen seiner individuellen Leistung oder die seines Teams zum Wohl der Gesamtorganisation einschätzen.

Erfahrene Manager vermeiden daher diese Extrem-Varianten und suchen angemessene Lösungen dazwischen. Ein etabliertes Tool für diesen Zweck ist Delegation Poker von Jurgen Appelo (1).

Es differenziert Delegation in 7 verschiedene Stufen:

  1. Der Manager trifft eine Entscheidung ohne sie zu erklären
  2. Der Manager trifft eine Entscheidung, erklärt dem Mitarbeiter aber seine Gründe
  3. Der Manager berät sich mit dem Mitarbeiter bevor er eine Entscheidung trifft
  4. Manager und Mitarbeiter entscheiden gemeinsam
  5. Der Mitarbeiter entscheidet, nachdem er sich mit dem Manager beraten hat
  6. Der Mitarbeiter entscheidet, aber der Manager informiert sich darüber
  7. Der Mitarbeiter trifft die Entscheidung ohne sich rechtfertigen zu müssen

Spielen Sie Delegation Poker, wenn Sie den Grad einer Delegation festlegen möchten. Man definiert das Thema der Delegation und jeder Teilnehmer wählt verdeckt eine Delegationsstufe aus. Dann drehen alle ihre Karten um und das Ergebnis wird diskutiert.

Man kann zahlreiche Kriterien bei der Auswahl der Delegations-Stufe heranziehen. Die wichtigsten sind:

  • Kompetenz/Erfahrung des Mitarbeiters
  • Auswirkung/Risiko der Aufgabe

Zu beachten ist auch, dass man nicht zu kleinteilig delegiert, sondern eher in gröberen Verantwortungsbereichen, sogenannten Key Decision Areas.

In den nächsten Beiträgen betrachten wir die Themen Verantwortung für Teams und den inneren Verantwortungsprozess aus der Reihe zum Circle of Personal Agility.

Literatur:

(1) Jurgen Appelo 2011: Management 3.0*: Leading Agile Developers, Developing Agile Leaders (Addison-Wesley Signature Series (Cohn)): Addison-Wesley

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Das Große Ganze – Komplexität

Organisationen sind komplexe Systeme. Man kann sie nicht aufschrauben und einfach umbauen, wie Maschinen. Wenn man es doch versucht, scheitert man in der Regel. Deswegen sollte man verstehen was die Unterschiede zwischen komplizierten, komplexen und anderen Systemen sind und welche Herangehensweise jeweils angemessen ist.

Dave Snowden hat mit dem Cynefin Framework ein Modell erarbeitet, anhand dessen man vier Arten von Systemen unterscheiden kann.

 

Offensichtlich: Die Milch kocht über? Ich schalte den Herd aus und nehme den Topf von der heißen Platte. Über offensichtliche Systeme muss man nicht lange nachdenken. Man erkennt es, beurteilt es und reagiert. Es gibt in der Regel nur eine beste Lösung, die sogenannte Best Practice.

Kompliziert: Befindet man sich in einem komplizierten System, braucht man einen Experten. Sein Auto lässt man vom Kfz-Mechaniker reparieren, mit Zahnschmerzen geht man zum Zahnarzt. Diese analysieren das Problem, wählen die passendste Lösung aus und setzen sie um. Schon hier gibt es keine Best Practice mehr, sondern nur noch Good Practices, Optionen die jeweils Vor- und Nachteile haben.

Chaotisch: Die Cynefin-Beispiele für den chaotischen Bereich sind bürgerkriegsähnliche Zustände oder Natur-Katastrophen. Erfolgreiches Vorgehen besteht in diesen Situationen im Stillen der Blutung durch klare Führung, also z.B. Ausgangssperren oder großflächige Evakuationen.

Komplex: Bei organisatorischen Veränderungen hat man es in der Regel wie gesagt mit einem komplexen System zu tun. In diesen Systemen gibt es kein einfaches Erkennen von Ursache und Wirkung mehr. Sie sind unvorhersehbar und instabil. Hier hilft nur, Dinge auszuprobieren, Experimente zu machen und dann zu schauen, wie das System reagiert.

Ich möchte dies an einem Beispiel illustrieren: Ein Team kommt nach Empfinden des Management nicht schnell genug voran. Es stellt die Vermutung auf, dass es an Expertenwissen fehlt und ein Experte aus einer anderen Abteilung wird in das Team versetzt. Nach einigen Wochen stellt man fest, dass das Team noch langsamer geworden ist. Daraufhin beschließt das Management den Experten wieder zu entfernen, weil es ja vorher zumindest etwas besser war. Das Team wird nun noch langsamer als es mit dem Experten war. Zudem kündigt ein Mitarbeiter und einer wird über mehrere Wochen krank geschrieben.

Was war passiert? Die Einarbeitung des vermeintlichen Experten hatte so viel Zeit gekostet, dass wichtige Dinge liegen geblieben waren, wodurch das Team langsamer wurde. Dennoch war die Motivation im Team gut, weil man durch die zusätzliche Person Licht am Ende des Tunnels sah. Gerade als der Experte eingearbeitet war, riss dem Management der Geduldsfaden und es entfernte den Experten wieder. Nun musste das restliche Team allein die liegengebliebenen Dinge aufholen und war zudem frustriert, weil die gegebene Unterstützung wieder zurückgezogen worden war. Frustration und Überlastung führten zu Kündigung und Krankheit.

Im Nachhinein findet man für solche komplexen Vorgänge oft plausible Erklärungen. Die Situation könnte sich aber auch ganz anders entwickeln. Vielleicht ist fehlende Expertise gar nicht das Problem, sondern Konflikte im Team, ein schlechter Prozess oder fehlende Mitbestimmung. Vielleicht passt der Experte persönlich nicht gut ins Team und würde dieses auch langfristig bremsen.

Bei Experimenten im Umgang mit komplexen Systemen sollte man stets darauf achten, dass die Experimente safe-to-fail sind, also die Firma am Leben bleibt, selbst wenn es fehlschlägt.

Bei größeren Veränderungen in Unternehmen gibt es viele Fallen in die man tappen kann. John P. Kotter hat schon 1995 die acht größten herausgearbeitet:

  1. Die Dringlichkeit der Veränderung wird nicht genügend motiviert
  2. Eine zu schwache Koalition der Willigen, die die Veränderung antreiben
  3. Die Vision für die Veränderung fehlt
  4. Die Kommunikation der Vision wird massiv versäumt
  5. Hindernisse, die der Vision entgegenstehen, werden nicht beseitigt
  6. Kurzfristige Erfolge werden nicht systematisch geplant und erreicht
  7. Der Abschluss der Veränderung wird zu früh gefeiert
  8. Die Veränderung wird nicht in der Organisationskultur verankert

Dies war der dritte und letzte Abschnitt zum Thema “das Große Ganze”. Die Beiträge zum Thema Interessen und Organisationsstrukturen finden Sie hier:

Literatur:

(1) Kotter, John P. 2012: Leading Change*: Harvard Business Review Press

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Das Große Ganze – Organisationsstrukturen

Es gibt keine guten oder schlechten Organisationsstrukturen. Es gibt nur angemessene und unangemessene.  – Harold Kerzner

Nach der Betrachtung der Interessen organisatorischer Akteure, werden wir uns nun um Organisationsstrukturen kümmern. Es gibt einige grundsätzliche Konzepte dazu, die man kennen sollte, wenn man seinen Blick für “das Große Ganze” schärfen möchte.

Gruppen, Teams und ihre Ausprägungen

Sobald man mehrere Mitarbeiter hat, kann man diese als Gruppe organisieren. Vielleicht haben sie denselben Chef, machen dieselbe Arbeit oder sind im selben Monat eingestellt worden. Gruppen haben eine Reihe von Vorteilen:

  • Ausfallsicherheit (Vertretung bei Urlaub und Krankheit)
  • Motivation: Zusammengehörigkeitsgefühl stärkt die sozialen Beziehungen

Ein Team wird aus einer Gruppe erst, wenn an einem gemeinsamen Ziel gearbeitet wird, was Zusammengehörigkeitsgefühl und Motivation nochmal vervielfachen kann.

Oft hört man die Empfehlung, dass man Cross-Funktionale Teams braucht, also Teams, in denen Mitarbeiter unterschiedlicher Expertise gemeinsam an einem Ziel arbeiten. Solche Teams sind besonders dort unschlagbar, wenn es um komplexe innovative Aufgaben geht. Zum Lösen solcher Aufgaben muss viel experimentiert werden und dafür hat sich intensive direkte Kommunikation bewährt. Es ist kein Wunder, dass Cross-Funktionale Teams gerade in Methoden für Software-Entwicklung wie Scrum gefordert werden.

Braucht man für seine Buchhaltung deshalb ein Cross-Funktionales Team? Wahrscheinlich meistens nicht.

Führungsstrukuren

In vielen Firmen ergibt sich automatisch ein sogenanntes Einliniensystem, eine klassische Hierarchie, in der es jeden genau einen Chef gibt, der für alle Belange Weisungsbefugnis hat. Der Geschäftsführer setzt Manager ein, die dann für Teilbereiche des Unternehmens Weisungsbefugnis haben. Diese setzen dann weitere Manager für noch kleinere Bereiche ein. Alle Bereiche sind überschneidungsfrei. Wikipedia beschreibt sehr schön was entsteht:

Das Ergebnis dieses Konzeptes ist eine straffe, übersichtliche Organisation, in der Kompetenzüberschneidungen vermieden werden. Durch die klare Abgrenzung von Verantwortungsbereichen lässt sich die Umsetzung von getroffenen Entscheidungen gut verfolgen und kontrollieren. (Wikipedia)

Mit Personen zu sprechen, mit denen man keine direkte Verbindung über die Linie hat, ist dann in der Reinform des Systems schon eine Kompetenzüberschreitung.

In Mehrlinien-Systemen wie einer Matrixorganisation kann man für unterschiedliche Themen mehrere Chefs haben, z.B. einen Vorgesetzten für die disziplinarische Leitung und einen Projektmanager für die fachliche Weisungsbefugnis. Das führt natürlich in der Praxis zu Konflikten, wenn beispielsweise der disziplinarische Chef entscheidet, jemandem von einem Projekt abzuziehen.

Wenn man nicht genau hinguckt, wirken auch agile Systeme wie Mehrlinien-Systeme. Im Scrum-Framework ist der Product Owner zuständig für die fachlichen Inhalte und der Scrum Master für die Organisation des Teams. Manche Firmen benennen ihre Projekt-Manager und Team Leads einfach um, machen ansonsten aber so weiter wie bisher und verschlimmbessern ihre Organisation dadurch eher.

Echte Agile Organisationen haben aber einen Paradigmen-Wechsel vollzogen. Es wird nicht mehr in Linien, Weisungen und Kompetenzüberschreitungen gedacht, sondern in Selbstorganisierten Teams, Coaching und Lernen durch Fehler.

Selbstorganisierte Teams entscheiden selber wie sie arbeiten möchten und welche Prozesse sie dafür nutzen. Kein Manager darf von Außen vorschreiben wie sie zu arbeiten haben. Im Gegenteil muss das Management dafür sorgen, dass ein Team die Rahmenbedingungen bekommt um optimal zu arbeiten. In gewisser Weise dreht sich dadurch die Hierarchie um und der Manager wird zum Servant Leader, der seine Führung kompromisslos auf die Interessen der Geführten ausrichtet.

Agiles Arbeiten und Selbst-Organisation sind anspruchsvoll und funktionieren dann optimal, wenn Konflikte und Probleme schnell sichtbar und bearbeitet werden. In der klassischen Hierarchie werden insbesondere persönliche Probleme selten direkt dem Chef gemeldet, aus Angst sich die Karriere zu ruinieren. Besser funktioniert der Einsatz von Coaches, die mit Teams und einzelnen Mitarbeitern an Konflikten und Selbst-Organisation arbeiten. Sie behalten die Details von Konflikten für sich, so dass offen und frei über Fehler gesprochen und lösungsorientiert über Verbesserungen diskutiert werden kann. Ein Agiler Coach kennt sich zudem mit agilen Methoden und Arbeitsformen wie Scrum oder Kanban aus.

Eine eigene Organisationsstruktur bauen

Anstatt das Rad neu zu erfinden kann man sich erfolgreiche Organisationen als Vorbild nehmen. Besonders Toyota und Spotify werden hier häufig genannt. Toyota war einer der Vorreiter für Produktivitätssteigerung in der Autoindustrie. In dem Bewusstsein, dass dies vor allem durch die Toyota-Kultur ermöglicht wurde, hatte die Firma nie ein Problem damit, Außenstehenden ihre Prozesse und Strukturen offen zu legen. Auch Spotify hat sehr transparent beschrieben wie seine internen Strukturen mit Tribes und Squads aussehen. Andere Firmen haben versucht die Strukturen von Toyota und Spotify zu kopieren und sind damit so oft und krachend gescheitert, dass mittlerweile viele Präsentation mit einer Warnung beginnen:

Kopieren Sie nicht einfach die Organisationsstruktur von anderen, sondern entwickeln sie selber eine Struktur, die zu ihrem Unternehmen passt. (siehe z.B. Mgmt3.0-Blog)

Ein Tool um die eigene Unternehmensstruktur neu zu gestalten ist Meddlers aus dem Management3.0-Kanon. Hier baut man seine Organisation aus Sechsecken und Quadraten auf und kann sie spielerisch verändern. Die Sechsecke repräsentieren Teams und die Quadrate Rollen. Größe und Form dieser Vielecke laden dazu ein, einem Team nicht zu viele Schnittstellen nach außen zu geben und die Teamgröße nicht zu groß werden zu lassen.

Hier ein paar Daumenregeln, die im Management3.0-Training empfohlen werden:

  • Teams klein halten (3-7 Personen)
  • Eher Cross-funktionale Teams als Funktionalen Teams bauen
  • Von Mitarbeitern ausgehen, die sowohl spezialisiert sind als auch generalisiert arbeiten können (T-Skill)
  • Teams und größere Organisations-Einheiten als Value Units bauen, sie also so schneiden, dass sie ihre Dienstleistungen unabhängig von anderen anbieten können.

Das Material für Meddlers kann man auf der Management3.0-Seite herunterladen (LINK).

Im nächsten Beitrag betrachten wir das Thema Komplexität.

Literatur:

(1) Appelo, Jurgen 2010: Management 3.0* Leading Agile Developers, Developing Agile Leaders: Addison-Wesley

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Das Große Ganze – wie alles ineinander greift

“Erfolgreiche Führungskräfte haben einen klaren Blick auf das große Ganze und schaffen es, diese Vision auf so prägnante und passende Weise zu übermitteln, dass sie andere Menschen inspiriert und motiviert.” – Alistair Cox

Welchem Zweck dienen all die einzelnen, kleinen Maßnahmen, die in Ihrer Firma passieren? Passen sie zu einem gemeinsamen Ziel? Oder stellt sich Frust ein, weil die Organisation in Kleinkram erstickt?

Erfolgreiche Personen schaffen es, übergreifende Muster zu erkennen, sie im Blick zu behalten und wirkungsvoll zu kommunizieren. Durch ihre systemische Kompetenz und ihr Wissen über komplexe Systeme und Organisations-Strukturen können sie zielführend auf neue Situationen reagieren und ihr Unternehmen aktiv mitgestalten. Um den Blick für “das Große Ganze” zu schärfen, muss man sich mit drei Bereichen beschäftigen:

Interessen: Die systematische Beschäftigung mit Akteuren in einer Organisation, ihren Erwartungen und Zielen.

Strukturen: Betrachtung von organisatorischen Strukturen, ihren Vor- und Nachteilen.

Komplexität: Die Einordnung von Systemen und der Umgang mit ihrer Veränderung.

Interessen

Kleine Kinder können sich nicht vorstellen, dass andere Menschen die Welt anders sehen, als sie selbst. Die meisten von uns lernen aber bald, dass es zur eigenen Perspektive Alternativen gibt. Ein nützliches Instrument ist, sich die Interessen der Kollegen und Manager in der Organisation bewusst zu machen.

Interesse: Eine Konstellation von Akteuren oder von Akteur und begehrtem Gut, die durch – in bestimmten Bedürfnissen verwurzelte – Anteilnahme und Neigung, aber auch durch Erwartung eines Nutzens oder Vorteils geprägt ist. (1)

Die Stakeholder Adoption Matrix hilft dabei sich die Interessen von Akteuren strukturiert zu betrachten und daraus Handlungen abzuleiten. Nutzen Sie diese, wenn Sie eine Veränderung bewerten oder durchführen wollen. So gehen Sie vor:

  1. Sammeln Sie die wichtigen Akteure als Post-Its. Je nach Einstellung zur Veränderung auf grünen, blauen oder roten post-its.
  2. Ordnen Sie die Post-Its horizontal in 5 Adoption Gruppen: Wer sind die Innovatoren, die sich für neue Idee begeistern? Wer sind die Meinungsführer, die offen für Neues sind (Early Adopters)? Wer gehört zur aufgeschlossenen oder skeptischen Mehrheit und wer ist eher ein Laggard (Zauderer)? Grüne Post-Its hängen wahrscheinlich weiter links, rote weiter rechts.
  3. Sortieren Sie die Post-Its nun vertikal danach, wieviel Einfluss die Akteure auf die Transition nehmen (können).

Jetzt haben Sie ein Bild der potentiellen Unterstützer und wer sich möglicherweise gegen die Veränderung stellt und können angemessene Handlungen ableiten.

Weiter Infos zur Matrix: LINK

In den nächsten Beiträgen folgen Organisationsstrukturen und Komplexität.

Literatur:

(1) Schmidt, Manfred G. 2010:  Wörterbuch zur Politik*: Alfred Kröner Verlag

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Circle of Personal Agility – CoPA

“Wir sind schon agil, wir haben doch ein Board an der Wand!” Solche und ähnliche Aussagen begegnen mir in vielen Unternehmen. Manche haben ihre Projektmanager in Scrummaster umbenannt, andere haben digitalisiert und von schnöder auf New Work umgestellt. Oft herrscht gleichzeitig Unzufriedenheit, weil sich am Output kaum etwas verändert hat. Es gibt neue cool klingende aber abstrakte Begriffe und nichts verändert sich, weil alle im Grunde so weiterarbeiten wie bisher.

Der Kern der Veränderung muss von den Menschen ausgehen und uns fällt Veränderung in der Regel schwer. Vor allem werden wir nicht gerne durch äußere Strukturen dazu gezwungen uns verändern zu müssen.

“People don’t resist change. They resist being changed!” – Peter Senge

Um Menschen bei Veränderung in ihrer Entwicklung zu helfen, gibt es professionelles persönliches Coaching. Die Methoden und Kategorien der klassischen Coaching-Welt ziehen aber oft ein zu breites Feld auf, in dem zum Beispiel über Family, Romance und Fun geredet wird. Auch wenn diese Bereiche für ein ausgewogenes Leben wichtig sind, lenken sie von einer fokussierten Weiterentwicklung am Arbeitsplatz tendenziell ab. Ich habe sogar erlebt, dass es für Mitarbeiter unangenehm sein kann, über vermeintlich private Themen zu reden, wenn ihr Arbeitgeber das Coaching bezahlt.

Für einen besseren Einstieg in ein Personal Coaching im Business Kontext haben wir den Circle of Personal Agility (CoPA) entwickelt. Dieser fokussiert zum einen auf berufsbezogene Themen. Zum anderen haben wir für jeden Bereich im CoPA verschiedene Modelle und weiterführende Tools und Methoden hinterlegt, die für eine Entwicklung in diesem Bereich wertvoll sein können.

Wie wird der CoPA verwendet?

Für jeden Bereich bewertet man sich selbst, wie gut man jeweils aufgestellt ist und wo noch Herausforderungen sind.

Je niedriger die Einstufung ist, desto mehr Potential kann gehoben werden. Jeder muss dabei für sich persönlich entscheiden, welcher Sektor gerade der wichtigste ist.

Der ausgefüllte Circle bildet den eigenen Status Quo ab. Egal ob in der Selbstreflexion oder als begleitendes Werkzeug im Gespräch mit einem Mentor, Coach oder Berater. Schritt für Schritt geht man einen Sektor des Circles nach dem anderen ab. Entsprechend der persönlichen Ziele, Prioritäten und Energie-Budgets entscheidet man wo man anfängt und weitermacht.

Damit man nicht auf der grünen Wiese beginnen muss, folgt hier eine Kurzübersicht für die Bereiche mit weiterführenden Begriffen und Links:

Erfolg
Karriere, persönliche Ziele, Entwicklungspfad – Erreichen Sie das, was Sie erreichen wollen? Siehe auch: Hypothesen, OKR, KPI

Reflexion
Konstruktive Kritik geben und annehmen, Feedback nutzen, persönliche Zielerreichung, – Werden eigenes Handeln und Gedanken regelmäßig und selbstkritisch betrachtet?
Siehe auch: CoPA, Johari-Fenster, GfK, Kollegiale Beratung, v.Thun

Verantwortung
Wahrnehmung von Rechten und Pflichten, Führungsverantwortung, Innere Barrieren erkennen und überwinden – Stellen Sie sich Ihren Schwächen und Fehlern?
Siehe auch: CoPA, Responsibility Process, Trauerkurve

Ausgeglichenheit
Gesundheit, Stressresistenz, Fokus, An- und Entspannung, Selbst-Regulation – Sind Sie geistig und körperlich Leistungsfähig und haben Ihren Stress-Level im Griff?
Siehe auch: Work Life Balance, Achtsamkeit

Selbstorganisation
Disziplin, Lernkompetenz, persönliche Effizienz und Effektivität. Wie effektiv und effizient erledigen Sie ihre Aufgaben?
Siehe auch: CoPA, GTD, Personal Kanban (3), Zeit-Management, Priorisierung

Markt und Produkte
Fachwissen, analytische Fähigkeiten, Gespür für Bedarf und Bedürfnisse, (Selbst-) Vermarktung – Wie klar sind Ihnen die Anforderungen der Projekte und Produkte Ihres Unternehmens? Wie klar sind die Anforderungen an Sie selber?
Siehe auch: Innovation Vortex (2), Fit for Purpose (1)

Das große Ganze
Systemische Kompetenz, Komplexe Systeme und systemische Veränderungsprozesse, Netzwerken – Wie gelingt Ihnen der ständige Wechsel zwischen den Details deiner Arbeit und dem Blick auf die Zusammenhänge?
Siehe auch: Cynefin, Business Agility, Kanban (4)

Methodik
Agile, Lean, Handwerk, Führung, Ownership – Welche Methoden und Werkzeuge sind für ihre Aufgaben relevant und wie gut beherrschen Sie diese?
Siehe auch: Scrum, Kanban, Management3.0

Literatur:

(1) Anderson, David J. 2018: Fit for Purpose*: Wie Unternehmen Kunden finden, zufriedenstellen und binden: dpunkt Verlag

(2) Appelo, Jurgen 2019: Startup, Scaleup, Screwup*: 42 Tools to Accelerate Lean and Agile Business Growth (English Edition): Wiley

(3) Benson, Jim 2013: Personal Kanban*: Visualisierung und Planung von Aufgaben, Projekten und Terminen mit dem Kanban-Board: dpunkt.verlag

(4) Eisenberg, Florian 2018: Kanban – mehr als Zettel*: Wie die Methode Ihnen zu echtem Mehrwert verhilft: Carl Hanser Verlag

(5) Senge, Peter 2006: The Fifth Discipline*: Currency

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Selbst-Reflexion und Erkenntnis

Selbst-Reflexion kann zu Selbst-Erkenntnis führen – muss aber nicht.

Im dritten und letzten Teil unserer Reihe über Reflexion und Feedback geht es um Selbst-Erkenntnis, also den Willen und die Fähigkeit zu verstehen, wer wir sind, einschließlich unserer Werte, Muster und Auswirkungen auf andere.

Der Bereich im Johari-Fenster, den weder die anderen noch man selbst kennt, wird oft mit “Unterbewusstes” bezeichnet. In manchen Artikeln liest man, dass sich dieser nur mit Tiefenpsychologie und Therapie erschließt, aber man kann hier auch ohne Psychotherapeuten weiterkommen.

Über sich selbst nach zu denken und die Wahrnehmung anderer zu analysieren, führt alleine leider nicht automatisch zu Selbst-Erkenntnis. Es kann sogar zu negativen Ergebnissen führen, insbesondere, wenn man sich in eine Spirale der Selbst-Geißelung begibt. Deshalb hier ein paar Methoden und Fallen in die man tappen kann.

Was nun?-Haltung einnehmen

Insbesondere beim Reflektieren von Fehlern oder Schwierigkeiten kann man leicht im endlosen Grübeln versinken. Hier hat sich gezeigt, dass eine innere Warum nur?-Haltung, in der man in der Vergangenheit kreist und nach einer einzigen absoluten Wahrheit sucht, oft nicht weiterführt.

  • Warum habe ich den Fehler gemacht?
  • Warum passiert gerade mir das?
  • Weshalb fühle ich mich so schlecht?

Eine lösungsorientierte Was nun?-Haltung, die eher auf die Zukunft und das Lernen fokussiert, ist dagegen hilfreicher.

  • Was genau fühle ich?
  • Was kann ich beim nächsten Mal anders machen?
  • Welche Situationen sind mir unangenehm und was haben diese gemeinsam?
  • Was konkret ist mir wichtig?

In der Warum nur?-Haltung fühlen wir uns als Opfer und sehen vor allem unsere Grenzen. In der Was nun?-Haltung sehen wir unser Wachstumspotential und sind neugierig welche Optionen wir haben.

7 Säulen der Selbst-Erkenntnis

Zur Selbst-Reflexion kann man sich aktiv mit seinen eigenen Werten und Reaktionsmustern auseinandersetzen. Tasha Eurich (1) identifiziert sieben Bereiche, die Personen mit hoher Selbst-Erkenntnis bewusst sind:

Seven Pillars of Insight (Tasha Eurich)

  • Werte: Mit welchen Werten bin ich aufgewachsen? Gelten diese noch? Welche Eigenschaften haben meine Vorbilder?
  • Leidenschaften: Wofür brenne ich – auf der Arbeit und privat? Welche Aufgaben machen mir am meisten/wenigsten Spaß?
  • Sehnsüchte: Was wollte ich werden, als ich noch klein war? Welches Vermächtnis will ich hinterlassen?
  • Ideale Umgebung: Wo fühle ich mich wohl? An welchem Ort? Mit welchen Kollegen? Mit welchem Partner?
  • Denkmuster: Nach welchen Mustern funktioniere ich ? Bin ich extrovertiert? Kreativ? Detail-orientiert?
  • Reaktionsmuster: Wie verhalte ich mich in bestimmten Situationen? Welche Gedanken und Gefühle überkommen mich? Wie zeigen sich meine Stärken und Schwächen?
  • Wirkung: Wie beeinflusst mein Verhalten andere Menschen?

Ich empfehle sich die Bereiche nacheinander vorzunehmen und darüber zu reflektieren. Manchmal hat man dabei echte Aha-Erlebnisse, z.B. wenn man einen sogenannten Saboteur entdeckt, einen Wert von früher, der einem nun eher im Weg steht: In einer agilen Umgebung kann einem bspw. der Hang zum Perfektionismus davon abhalten schnell Ergebnisse zu liefern. Hat man das erstmal realisiert, ist es viel leichter damit umzugehen.

Nicht jede Reflexion über die Bereiche endet natürlich sofort in verblüffenden (Selbst-)Erkenntnissen. In schwierigen Situationen ist es aber leichter sich selber zu ertappen, weil man sich schon mit den eigenen Mustern beschäftigt hat.

Achtsamkeit üben

Um das Thema Achtsamkeit hat sich mittlerweile ein regelrechter Hype verbreitet, so dass die Gefahr besteht, Achtsamkeit als Allheilmittel wahrzunehmen. Die Komplexität der Vorgänge im Gehirn und die Verknüpfung mit buddhistischer Praxis machen die objektive Betrachtung auch nicht gerade leichter. Nichtsdestotrotz sind positive Effekte empirisch nachgewiesen. Menschen, die Achtsamkeit praktizieren sind glücklicher, gesünder, kreativer, produktiver, authentischer, haben mehr Kontrolle über ihr Verhalten, führen zufriedenere Ehen, sind entspannter und weniger aggressiv, neigen weniger zu Burn-Out und sind schlanker (1).

Insofern überrascht es nicht, dass viele Unternehmen versuchen ihren Mitarbeitern mehr Achtsamkeit zu ermöglichen, wie z.B. Google (2).

Um achtsam zu sein, braucht man nicht zum Buddhismus konvertieren. Auf die Essenz reduziert kann man sie wie folgt definieren:

Achtsamkeit: Das wahrzunehmen, was man denkt, fühlt und tut ohne darüber zu urteilen oder darauf zu reagieren.

Je häufiger man dies praktiziert, je besser wird man. Allein das Benennen unserer Gefühle hat schon einen positiven Effekt, der in Studien nachgewiesen wurde (1). Die Übersetzung des Gefühls in Sprache reduziert die Aktivierung von Furcht in unserem Gehirn. Probieren Sie es aus, in dem Sie aussprechen was Sie gerade fühlen!

Trotz der einfachen Definition von oben ist es für viele Menschen schwierig ihre Achtsamkeit dauerhaft zu erhöhen. Die Teilnahme an einem Kurs zur Achtsamkeit, Meditation oder autogenem Training kann zur Etablierung einer Routine helfen. Allerdings muss man auch hier darauf achten, dass man nicht automatisch achtsamer wird, nur weil man meditiert.

Meditation kann zu Achtsamkeit führen – muss aber nicht.

Links/Literatur

(1) Eurich, Tasha 2017: Insight*: The Surprising Truth About How Others See Us, How We See Ourselves, and Why the Answers Matter More Than We Think (English Edition): Currency

(2) Tan, Chade-Meng 2015: Search Inside Yourself*: Optimiere dein Leben durch Achtsamkeit: Goldmann Verlag

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holger

Holger Tewis ist Agile Enterprise Coach
www.holgertewis.de

Feedback-Methoden – 4 Augen bis 360 Grad

Je nach Anlass und Konstellation kann man Feedback auf unterschiedliche Arten einholen. Als Fortsetzung unserer Feedback-Reihe seien hier einige Methoden vorgestellt:

4-Augen-Feedback

Das 4-Augen-Feedback eignet sich, wenn man jemandem persönliches Feedback zu einem konkreten Verhalten geben möchte. Das sollte möglichst zeitnah passieren. Je länger man wartet und je mehr Beobachtungen sich aufstauen, umso schwerer wird es konstruktiv Feedback zu geben.

Wenn man selbst wissen möchte, wie man in einer Situation gewirkt hat, kann man natürlich aktiv nach Feedback fragen. Auch dafür sollte man möglichst konkrete Fragen stellen. Studien haben ergeben, dass Menschen es vorziehen sich zurückzuhalten oder gar Notlügen zu erzählen, nur um kein unangenehmes Feedback geben zu müssen (2). Zudem sollte man Speichellecker oder ewige Nörgler vermeiden, sondern Personen wählen, die ein ernsthaftes Interesse an konstruktiver Kritik haben.

Spontan 4-Augen Feedback zu geben oder zu bekommen kostet am meisten Überwindung. Deswegen führen viele Teams und Organisationen regelmäßig Feedback-Sessions durch. Die Regelmäßigkeit macht es dann auch einfacher ad hoc Feedback zu geben.

Um sein Feedback strukturiert vorzubereiten kann man z.B. den Feedback-Planner von Jerome (3) verwenden: LINK.

360-Grad-Feedback

Beim 360-Grad-Feedback bekommt eine Person Rückmeldungen aus verschiedensten Richtungen, also bei einer Führungskraft z.B. von Mitarbeitern, Kollegen auf der gleichen Führungsebene und vom Vorgesetzten. Dies kann anonym passieren, z.B. über ein HR-Tool oder offen z.B. nach dem Prinzip des heißen Stuhls: Ein Meeting von maximal 30 Minuten wird einberufen, in dem ein Teilnehmer Feedback (Empfänger) von den anderen Teilnehmern (Geber) erhält. Zur Vorbereitung füllt jeder Feedback-Geber einen Feedback-Bogen aus.  (z.B. was der Empfänger Starten, Stoppen und Weitermachen soll). Auf dem Meeting liest dann jeder Feedback-Geber dem Empfänger seinen ausgefüllten Bogen vor. Der Empfänger erhält den Bogen um später darüber reflektieren zu können. Er darf Verständnisfragen stellen, aber er darf sich nicht rechtfertigen. Zudem hat der Empfänger am Ende die Möglichkeit eine offene lösungsorientierte Diskussion zu starten.

Für 360°-Feedback verwende ich meinen eigenen Feedback-Bogen, den man hier herunterladen kann: Start Stop Continue 360 Grad Feedback.

Kollegiale Beratung

Eine Variante ist die sogenannte Kollegiale Fall-Beratung. Auch hier sitzt eine Person (Fall-Erzähler) auf dem heißen Stuhl und kriegt Feedback von den anderen Teilnehmern (Berater). Der Unterschied liegt jedoch im Ablauf:

Nach der Verteilung der Rollen und der Darstellung der Situation dürfen die Berater Verständnisfragen stellen. Dann ziehen sie sich zur Identifikation zurück. Der Fall-Erzähler geht aus der Runde und darf nur zuhören und sich Notizen machen, während sich die Berater in seine Lage versetzen und ihre Wünsche und ihr Erleben schildern. Dann fangen die Berater an sich über Hypothesen und Vermutungen auszutauschen. Der Fall-Erzähler hört weiterhin zu und macht sich Notizen. In der Stellungnahme bekommt er dann Gelegenheit Ergänzungen und Korrekturen zu dem gehörten zu machen. Die Berater korrigieren evt. Ihre Hypothesen. Für die Lösungssuche geht der Fall-Erzähler wieder aus der Runde, hört zu und notiert sich wichtige Punkte. Jeder Berater sagt nun, was er in der Situation tun würde, ohne zu diskutieren. Schließlich kommen wieder alle zusammen und der Fall-Erzähler teilt mit welche Ideen er umsetzen will. Im Abschluss gibt es noch eine Feedback-Runde. Alle Einheiten sind mit 5 bis max. 15 Minuten absichtlich knapp getaktet, so dass man ins 60-90 Minuten auf den Punkt kommen muss.

Weiterführende Informationen zur kollegialen Beratung findet man z.B. bei Tietze/Thun* (5).

Retrospektiven

Auf Teamebene seien hier natürlich noch Retrospektiven genannt, in denen z.B. nach Scrum mindestens 1 Mal pro Monat reflektiert wird, wie die Zusammenarbeit im Team war. Die Retrospektiven können bei Bedarf z.B. für 360-Grad-Feedback genutzt werden, sollten sich aber nicht darauf beschränken. Für agile Retrospektiven gibt es eine etablierte Phasen-Struktur, die zum Beispiel im gleichnamigen Buch (1) beschrieben wird. Eine große Auswahl von Methoden findet man im Retromaten.

Im nächsten Beitrag beleuchte ich die Themen Selbst-Reflexion, Selbst-Erkenntnis und Achtsamkeit: LINK.

Links/Literatur

(1) Derby, Esther 2006: Agile Retrospectives*: Making Good Teams Great (Pragmatic Programmers)

(2) Eurich, Tasha 2017: Insight*: The Surprising Truth About How Others See Us, How We See Ourselves, and Why the Answers Matter More Than We Think (English Edition): Currency

(3) Jerome, Paul J. 1999: Coaching Through Effective Feedback*: Pfeiffer

(4) Rosenberg, Marshall B. 2016: Gewaltfreie Kommunikation*: Eine Sprache des Lebens: Junfermann

(5) Tietze, Kim-Oliver 2003: Kollegiale Beratung*: Problemlösungen gemeinsam entwickeln (Miteinander reden Praxis): Rowohlt Taschenbuch

(*) Affiliate-Links.

holger

Holger Tewis ist Agile Enterprise Coach
www.holgertewis.de