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Feedback-Methoden – 4 Augen bis 360 Grad

Je nach Anlass und Konstellation kann man Feedback auf unterschiedliche Arten einholen. Als Fortsetzung unserer Feedback-Reihe seien hier einige Methoden vorgestellt:

4-Augen-Feedback

Das 4-Augen-Feedback eignet sich, wenn man jemandem persönliches Feedback zu einem konkreten Verhalten geben möchte. Das sollte möglichst zeitnah passieren. Je länger man wartet und je mehr Beobachtungen sich aufstauen, umso schwerer wird es konstruktiv Feedback zu geben.

Wenn man selbst wissen möchte, wie man in einer Situation gewirkt hat, kann man natürlich aktiv nach Feedback fragen. Auch dafür sollte man möglichst konkrete Fragen stellen. Studien haben ergeben, dass Menschen es vorziehen sich zurückzuhalten oder gar Notlügen zu erzählen, nur um kein unangenehmes Feedback geben zu müssen (2). Zudem sollte man Speichellecker oder ewige Nörgler vermeiden, sondern Personen wählen, die ein ernsthaftes Interesse an konstruktiver Kritik haben.

Spontan 4-Augen Feedback zu geben oder zu bekommen kostet am meisten Überwindung. Deswegen führen viele Teams und Organisationen regelmäßig Feedback-Sessions durch. Die Regelmäßigkeit macht es dann auch einfacher ad hoc Feedback zu geben.

Um sein Feedback strukturiert vorzubereiten kann man z.B. den Feedback-Planner von Jerome (3) verwenden: LINK.

360-Grad-Feedback

Beim 360-Grad-Feedback bekommt eine Person Rückmeldungen aus verschiedensten Richtungen, also bei einer Führungskraft z.B. von Mitarbeitern, Kollegen auf der gleichen Führungsebene und vom Vorgesetzten. Dies kann anonym passieren, z.B. über ein HR-Tool oder offen z.B. nach dem Prinzip des heißen Stuhls: Ein Meeting von maximal 30 Minuten wird einberufen, in dem ein Teilnehmer Feedback (Empfänger) von den anderen Teilnehmern (Geber) erhält. Zur Vorbereitung füllt jeder Feedback-Geber einen Feedback-Bogen aus.  (z.B. was der Empfänger Starten, Stoppen und Weitermachen soll). Auf dem Meeting liest dann jeder Feedback-Geber dem Empfänger seinen ausgefüllten Bogen vor. Der Empfänger erhält den Bogen um später darüber reflektieren zu können. Er darf Verständnisfragen stellen, aber er darf sich nicht rechtfertigen. Zudem hat der Empfänger am Ende die Möglichkeit eine offene lösungsorientierte Diskussion zu starten.

Für 360°-Feedback verwende ich meinen eigenen Feedback-Bogen, den man hier herunterladen kann: Start Stop Continue 360 Grad Feedback.

Kollegiale Beratung

Eine Variante ist die sogenannte Kollegiale Fall-Beratung. Auch hier sitzt eine Person (Fall-Erzähler) auf dem heißen Stuhl und kriegt Feedback von den anderen Teilnehmern (Berater). Der Unterschied liegt jedoch im Ablauf:

Nach der Verteilung der Rollen und der Darstellung der Situation dürfen die Berater Verständnisfragen stellen. Dann ziehen sie sich zur Identifikation zurück. Der Fall-Erzähler geht aus der Runde und darf nur zuhören und sich Notizen machen, während sich die Berater in seine Lage versetzen und ihre Wünsche und ihr Erleben schildern. Dann fangen die Berater an sich über Hypothesen und Vermutungen auszutauschen. Der Fall-Erzähler hört weiterhin zu und macht sich Notizen. In der Stellungnahme bekommt er dann Gelegenheit Ergänzungen und Korrekturen zu dem gehörten zu machen. Die Berater korrigieren evt. Ihre Hypothesen. Für die Lösungssuche geht der Fall-Erzähler wieder aus der Runde, hört zu und notiert sich wichtige Punkte. Jeder Berater sagt nun, was er in der Situation tun würde, ohne zu diskutieren. Schließlich kommen wieder alle zusammen und der Fall-Erzähler teilt mit welche Ideen er umsetzen will. Im Abschluss gibt es noch eine Feedback-Runde. Alle Einheiten sind mit 5 bis max. 15 Minuten absichtlich knapp getaktet, so dass man ins 60-90 Minuten auf den Punkt kommen muss.

Weiterführende Informationen zur kollegialen Beratung findet man z.B. bei Tietze/Thun* (5).

Retrospektiven

Auf Teamebene seien hier natürlich noch Retrospektiven genannt, in denen z.B. nach Scrum mindestens 1 Mal pro Monat reflektiert wird, wie die Zusammenarbeit im Team war. Die Retrospektiven können bei Bedarf z.B. für 360-Grad-Feedback genutzt werden, sollten sich aber nicht darauf beschränken. Für agile Retrospektiven gibt es eine etablierte Phasen-Struktur, die zum Beispiel im gleichnamigen Buch (1) beschrieben wird. Eine große Auswahl von Methoden findet man im Retromaten.

Im nächsten Beitrag beleuchte ich die Themen Selbst-Reflexion, Selbst-Erkenntnis und Achtsamkeit: LINK.

Links/Literatur

(1) Derby, Esther 2006: Agile Retrospectives*: Making Good Teams Great (Pragmatic Programmers)

(2) Eurich, Tasha 2017: Insight*: The Surprising Truth About How Others See Us, How We See Ourselves, and Why the Answers Matter More Than We Think (English Edition): Currency

(3) Jerome, Paul J. 1999: Coaching Through Effective Feedback*: Pfeiffer

(4) Rosenberg, Marshall B. 2016: Gewaltfreie Kommunikation*: Eine Sprache des Lebens: Junfermann

(5) Tietze, Kim-Oliver 2003: Kollegiale Beratung*: Problemlösungen gemeinsam entwickeln (Miteinander reden Praxis): Rowohlt Taschenbuch

(*) Affiliate-Links.

holger

Holger Tewis ist Agile Enterprise Coach
www.holgertewis.de

Feedback und Selbst-Reflexion

Was muss man tun, um möglichst wenig aus Fehlern zu lernen? Ich empfehle die Betriebssportart Fingerpointing oder die Aufstellung eines Firmen-Prangers.

Feedback bekommen hilft, um zu lernen, wie man auf andere wirkt, aber das ist nur eine Seite effektiver Reflexion. Um sich ganzheitlich zu entwickeln, braucht man sowohl innere als auch äußere Reflexion. Wer nur versucht den Personen in seiner Umgebung zu gefallen, verbiegt sich schnell selbst. Wer kein Feedback einholt oder es laufend überhört, endet völlig selbstbezogen.

Äußere Selbst-Erkenntnis: Das Wissen darüber, wie andere uns sehen.

Innere Selbst-Erkenntnis: Der Wille und die Fähigkeit zu verstehen, wer wir sind, einschließlich unserer Werte, Muster und Auswirkungen auf andere.

Empirische Studien zeigen, dass Mitarbeiter mit niedriger Selbst-Erkenntnis die Team-Performance beeinträchtigen: Sie behindern die Koordination, senken die Qualität von Entscheidungen und verstärken Konflikte. Firmen mit vielen unreflektierten Mitarbeiter werfen sogar messbar kleinere Renditen ab (2)! Dieser Beitrag ist der erste in einer Reihe von Beiträgen, in denen Sie einige Methoden für innere und äußere Selbst-Erkenntnis kennenlernen.

Mein blinder Fleck

Jeder Mensch hat Verhaltensweisen, die seiner Umgebung bewusst sind, ihm selbst jedoch verborgen bleiben. Dieser Blinde Fleck wird oft mit dem Johari-Fenster (1) veranschaulicht:

Es gibt sogenannte kognitive Verzerrungen (Bias), die uns dabei behindern unseren blinden Fleck zu erkennen.

Verhaltensblindheit beschränkt die Beurteilung unseres eigenen Verhaltens. Selbst wenn wir uns auf Video betrachten, nehmen wir unser non-verbales Verhalten nicht so wahr wie ein anderer Betrachter.

Emotionsblindheit beschreibt, dass unsere aktuellen Gefühle unser Urteil beeinflussen. In einer Studie wurden Menschen gebeten, ihre Lebenszufriedenheit zu beurteilen. Lies man sie vor der Befragung “zufällig” ein Geldstück finden, schlug die eigene Beurteilung signifikant nach oben aus.

Wissensblindheit beschreibt die Tendenz unsere tatsächlichen Kompetenzen zu überschätzen, wenn wir glauben uns in einem Wissensbereich besonders auszukennen.

Aber es gibt Wege, den eigenen blinden Fleck zu verkleinern: Mit Hilfe des Feedbacks anderer.

Beim Geben von Feedback muss man vor allem darauf achten nicht verletzend zu wirken, damit das Feedback auch aufgenommen werden kann. Hierbei hilft es ICH-Botschaften zu nutzen, d.h. aus der eigenen Perspektive zu teilen, was “ich” wahrgenommen habe. Dies erleichtert dem Empfänger des Feedbacks die Aufnahme, da es sich um eine persönliche und nicht zwangsläufig  fundamentale Wahrheit handelt. Anschließend kann das Ergebnis des Wahrgenommenen wesentlich einfacher geteilt werden. Generell hilft es, sich auf konkrete aktuelle Ereignisse zu beziehen, kurze Sätze, mit möglichst spezifischen Aussagen zu nutzen und wenig ablenkende Gestik zu verwenden. Erst abschließend sollte man Wünsche, eigene Bedürfnisse oder Befürchtungen äußern.

Beim Empfangen von Feedback sollte man vermeiden sich zu rechtfertigen. Hören Sie erst einmal nur zu, was gesagt wird, schenken Sie Ihrem Gegenüber einen Moment Ihre Aufmerksamkeit und den dazu gehörigen Respekt. Wenn man etwas inhaltlich nicht versteht, sind Fragen natürlich angebracht. Begreifen Sie das Feedback als Chance Ihren blinden Fleck aufzudecken und bedanken Sie sich dafür. Ihre Reaktion entscheidet, ob Sie in Zukunft wieder Feedback bekommen.

Im nächsten Beitrag stelle ich verschiedene Feedback-Methoden vor: LINK.

Links/Literatur

(1) Eremit, Britta 2015: Individuelle Persönlichkeitsentwicklung*: Growing by Transformation: Quick Finder — Die wichtigsten Tools im Business Coaching

(2) Eurich, Tasha 2017: Insight*: The Surprising Truth About How Others See Us, How We See Ourselves, and Why the Answers Matter More Than We Think (English Edition): Currency

(*) Affiliate-Links.

holger

Holger Tewis ist Agile Enterprise Coach
www.holgertewis.de