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Stakeholder Adoption Matrix für Agile Transitionen

Die meisten Transitionsbemühungen scheitern an Menschen. Sie sind uneinsichtig, veränderungsresistent und boykottieren jede gute Initiative…

… oder nicht? Wollen sie vielleicht nur richtig abgeholt werden, verstehen was eine Veränderung bringt und angemessen mitgestalten?

Natürlich gibt es in jeder Organisation Zauderer, die am Status Quo festhalten, als seien ihre Füße darin einbetoniert. In der Regel ist aber die Höhe der Aufgeschlossenheit und Bereitschaft zur Veränderung unterschiedlich und konstant breit verteilt. In seinem Buch “Diffusion of Innovations“ beschreibt Everett Rogers die vielen bekannte Adoption Curve.

adoption curve

Rogers unterteilt fünf Gruppen von Personen, die durch unterschiedliche Kommunikationsreichweite und Meinungsführerschaft die Verbreitung von Innovationen auf verschiedene Art fördern bzw. bremsen:

  • Innovatoren springen sofort begeistert auf die neue Idee auf.
  • Early Adopters sind respektierte Personen und Meinungsführer, die etwas vorsichtiger sind, aber dennoch offen für Neues.
  • Die bedächtigere, aber immer noch überdurchschnittlich hohe Bereitschaft zur Innovation zeigende Mehrheit der Leute wird Early Majority genannt.
  • Die Late Majority besteht aus skeptischen Personen, die erst anfangen etwas zu benutzen, wenn die Mehrheit dies bereits tut.
  • Die Laggards (Zauderer) sind die letzten. Sie halten bis zum Schluss an alten Gewohnheiten fest, äußern Kritik oder bekämpfen eine Veränderung sogar aktiv. Sie springen erst auf, wenn die Innovation bereits Mainstream ist.

Die Gruppen müssen auf unterschiedliche Weise angesprochen werden und das Modell kann dabei helfen die richtige Botschaft und Methode auszuwählen um den jeweiligen Personenkreis optimal zu adressieren.

Rogers hat bereits vor 55 Jahren über Diffusion of Innovation geschrieben und mittlerweile wurde sein Ansatz in vielen Untersuchungen und Arbeiten aufgegriffen. Jurgen Appelo ergänzt die Adoption Curve in seinem Buch „How to change the world“ z.B. um die Gruppe der Initiatoren, also der Change Agents selbst, die eine Innovation anstoßen.

Die Indiana University Bloomington hat eine Online-Simulation entwickelt, bei der man einen fiktiven Change an einer Schule durchführt, in dem man verschiedene Stakeholder beeinflusst. Man hat zwei Jahre Zeit den Change durchzuführen und investiert Kalenderwochen in Gespräche, Analysen über Einstellung und Kommunikationsnetzwerke (wer luncht mit wem) und findet dabei Schritt für Schritt heraus, wer von der Belegschaft eher Innovator oder Zauderer ist.

Eine andere Methode aus dem klassischen Projektmanagement ist die Projektumfeldanalyse, auch als Stakeholder Analyse bekannt. Dabei werden für ein Projekt relevante Stakeholder identifiziert und auf verschiedenen Dimensionen bewertet, z.B. ob sie Organisationsintern oder –extern sind, wie sie gegenüber dem Projekt eingestellt sind und wie viel Einfluss sie darauf haben. Dieses Modell soll helfen, alle Rahmenbedingungen, Einflüsse und äußere Faktoren zu sammeln, die auf das Projekt wirken können, um daraufhin geeignet Maßnahmen zu finden, wie man mit den jeweiligen Stakeholdern umgeht.

umfeldanalyse

Meine Beschäftigung mit beiden Methoden brachte mich auf die Idee sie in einem Workshop zu kombinieren. Nach einer Vorstellung der Adoption Curve bat ich die Teilnehmer relevante Stakeholder in die 5 Gruppen einzuordnen. Dann begannen wir weitere Dimensionen abzuklopfen. Für den nächsten Workshop habe ich mir folgende Schritte überlegt:

  1. Sammeln von wichtigen Stakeholdern als Post-Its. Je nach Einstellung der Stakeholder zur Transition auf grünen, blauen oder roten post-its.
  2. Vorstellung der Adoption Curve (Flipchart/Whiteboard)
  3. Erste Einordnung der Stakeholder in die 5 Adoption Gruppen, in dem die Post-Its darunter gehängt werden. Grüne Post-Its hängen wahrscheinlich weiter links, rote weiter rechts.
  4. Sortieren der Stakeholder in jeder Gruppe danach, wieviel Einfluss sie auf die Transition nehmen (können).

Das ganze sieht dann zum Beispiel so aus:

Im fünften Schritt überlegt man sich Maßnahmen. Dabei können folgende Leitpunkte helfen:

Finde die Personen, die als erstes eingebunden werden müssen. Durch die in der Adoption Kurve enthaltene zeitliche Komponente (X-Achse) stehen frühe Helfer bei der Initiative auf der linken Seite. Dennoch kann es sein, dass man schon am Anfang besonders einflussreiche und negativ eingestellte Zauderer berücksichtigen muss und sei es um Schaden zu begrenzen.

Beurteile das Verhältnis des Geschäftsführers zur Transition. Im besten Fall ist er begeisterter Treiber und Unterstützer, der dem Wandel durch eigenes gutes Beispiel vorangeht. Im schlechteren Fall sieht er das ganze als Experiment und sich selbst als neutralen Beobachter. Dann ist die Frage auf wessen Rat er sich für die Beurteilung der Transition stützt. Wo stehen diese Personen in der Matrix?

Beurteile Menge und Art der Early Adoptors. Diese sind wichtig um die Kluft zur Early Majority zu überwinden, denn diese Gruppe von Personen ist zu groß, als dass man sie als Veränderungstreiber allein noch persönlich beeinflussen kann.

Über Feedback würde ich mich wie immer freuen.

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Holger Tewis ist freier Coach und Berater für Agile Transition

Struktur eines agilen Transitionsteams

Die Durchführung einer größeren organisatorischen Veränderung kann von einem Transitionsteam begleitet werden, das die Transition vorantreibt und für eine Umgebung sorgt, die im Sinne der Transition erwünschte Muster verstärkt. Im Zuge der agilen Transition der Web Development Abteilung bei Goodgame Studios durchlief unser Transitionsteam verschiedene Organisations-Formen, über die ich hier berichten möchte.

Ende 2014 hat sich Goodgame Studios (im Folgenden GGS) entschieden die Software-Entwicklung im zentralen Bereich Web Development auf agile Vorgehensweise umzustellen (Scrum/Kanban). Mit dem Mandat des CTO haben wir dazu von Anfang an ein Team etabliert, das diesen Prozess begleiten und vorantreiben sollte.

Um gleichzeitig als Vorbild zu dienen, haben wir uns entschlossen dieses Transitionsteam auf agile Art zu organisieren und uns am Scrum-Framework orientiert. Als Produkt des Transitionsteams betrachteten wir die vollständig agilisierte Abteilung, auf die wir uns in wertschaffenden Sprintinkrementen zubewegen wollten. Zu besetzen waren nun die drei Rollen Scrum Master (bzw. Agile Coach), Product Owner und Team. Product Owner wurde der Abteilungsleiter, Scrum Master eine erfahrene externe Coachess und das „Dev“-Team setzte sich zusammen aus Führungskräften und Vertretern der einzelnen Positionen (Projekt Manager, Produkt Manager, Entwickler).

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Wir begannen mit einer Sprintlänge von zwei Wochen, wobei wir Sprintplanung, Review und Retro komplett am Mittwochnachmittag durchführten. Standups gab es zwei die Woche, am Dienstag und Donnerstag. Transitions-Backlog und Sprint-Backlog haben wir nicht als physisches Board aufgesetzt, sondern in Jira, vor allem um den auf dem GGS-Gelände weit verteilten Entwicklungsteams einfachen und transparenten Zugriff zu gewährleisten.

Nachdem wir dies circa ein halbes Jahr ausprobiert hatten, stießen wir auf eine Reihe von Problemen:

  • Das Transitionsteam konnte nicht alle Entwicklungsteams gleichzeitig adressieren, so dass sich manche Teams vernachlässigt fühlten, insbesondere da wir öffentlich versprochen hatten, dass das Transitionsteam für die ganze Abteilung da sein würde.
  • Parallel zum Transitionsteam trafen sich wöchentlich die Teamleads des Bereichs und verfolgten eine eigene Agenda, die zum Teil im Widerstreit mit den Zielen des Transitionsteams stand. Obwohl in beiden Teams der Abteilungsleiter als Product Owner fungierte, gab es immer wieder Alignment-Schwierigkeiten zwischen den beiden Führungsteams.

In Summe gab es Entwicklungsteams, die gar nicht adressiert wurden und dann wiederum solche, die von beiden Führungsteams mit z.T. widersprüchlichen Zielen angesprochen wurden.

Um dieses Problem zu lösen, schwenkten wir um auf das von uns sogenannte Flower-Modell:

flower

Dazu ordneten wir die ganze Abteilung in drei Cluster, aus denen Product Owner (PO), Teamlead (TL) und Agile Coaches (AC) der Entwicklungsteams ein für ihren Cluster verantwortliches Transitionsteam bildeten (POTLAC). Das alte Transitionsteam, verwandelte sich in eine Art Product Owner Team und entsandte Delegierte als Transitions-Product Owner in die drei POTLACS. Die Treffen der Teamleads wurden abgeschafft.

Die POTLACS führten 4-Wochen-Sprints durch, jeweils um eine Woche versetzt, so dass sich das Transitions-Product-Owner-Team in der 4. Woche mit Koordinationsthemen beschäftigen konnte.

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Mit dem Flower-Modell schafften wir es tatsächlich, näher an die Teams heranzurücken. Nur die 4-wöchigen Sprints fühlten sich zu lang an. Dieses Problem lösten die Teams unterschiedlich: Einer der Cluster entschloss sich auf Kanban umzustellen. Statt längerer Scrum-Meetings alle 4 Wochen führte dieses Team tägliche Standups durch, zu denen der Product Owner bei Bedarf dazustieß und im Anschluss Stories priorisieren bzw. abnehmen konnte. Der freigewordene Meeting-Slot am Mittwoch ermöglichte den anderen beiden POTLACS auf 2-Wochen-Sprints zu wechseln.

Retrospektiv betrachtet lag die größte Herausforderung beim Aufsetzen der Struktur des Transitionsteams darin, ein für die Größe der zu agilisierenden Abteilung angemessenes Alignment zu finden. Das Spannungsfeld sah dabei ähnlich aus wie Henrik Knibergs Autonomy/Alignment Matrix:

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Das Management strebte Quadrant A an, also hohes Alignment bei hoher Autonomie der Teams. Im Laufe der Zeit wurde aber immer wieder darum gerungen, was das bedeutete.

Für einige Teams sah es so aus, als wäre man zu weit in Quadrant B gerutscht, da die Arbeit mit dem Transitionsteam zusätzlichen Aufwand erzeugte, der als Overhead oder gar Micro-Management wahrgenommen wurde. Neben den Transitions-Meetings waren dies vor allem vorgeschlagene Standards (z.B. ein einheitliches Format für Roadmaps), für die manche Teams keinen direkten Mehrwert zu bekommen glaubten.

Aus Perspektive des Managements sah es gerade am Anfang so aus, als rutschten die Teams zu stark in den Quadranten C, zum einen weil sie unterschiedliche Schwerpunkte bei der Agilisierung setzten, zum anderen weil manche Teams in der ursprünglichen Aufstellung des Transitionsteams unter dem Radar flogen.