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Noch besser als OKR: Das Problem lösen!

Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen – Helmut Schmidt

In den vorhergehenden Artikeln haben wir über persönliche Ziele, sowie organisatorische Ziele gesprochen,  MbO mit OKR verglichen und ganz am Anfang Nordsterne vorgestellt. Neben Ziel und Objective wird oft auch von Mission, Vision oder gar Mantra (Guy Kawasaki) gesprochen. Zum Teil werden diese Begriffe aber auch synonym verwendet. Toyota z.B. nennt seine Nordsterne intern einfach Vision. Die Methoden definieren denselben Begriff oft leicht anders und in der Praxis geht schließlich alles drunter und drüber. Kann ein Team seine Key Results im Daily Scrum im Burndown-Chart visualisieren? Wie passen Target Conditions zu Sprintzielen?

Ich empfehle deswegen von den tatsächlichen Herausforderungen her zu denken: Was ist eigentlich unser Problem?

Schon bei der Ursachenforschung kann man sich darüber Gedanken machen, wie Ziele das Problem beeinflussen. Ist das Problem dann eingekreist, kann man überlegen welche Eigenschaften von Zielen einem für die Lösung helfen. Ich habe dafür die verschiedenen Systeme zur Zielsetzung nach vier Kriterien zerlegt:

  • Erreichbarkeit: Ist das Ziel erreichbar und wenn ja wie einfach?
  • Messbarkeit: Ist der Fortschritt zum Ziel quantifizierbar?
  • Zeitraum: Bis wann ist die Zielerreichung relevant
  • Organisationseinheit: Für wen gilt das Ziel?

Die folgende Tabelle zeigt die verschiedenen Varianten:

Hier ein paar Beispiele aus der Praxis, wie die Tabelle anzuwenden ist:

  • “Das sind Low Performer, die müssen mal Gas geben!”: Woran wird die Leistung festgemacht? Gibt es messbare Ziele? Sind diese motivierend und herausfordernd genug? Passen individuelle Ziele zu Teamzielen?
  • “Die Silo-Abteilungen arbeiten alle gegeneinander!” Gibt es ein übergreifendes Ziel? Sind die Abteilungsziele aufeinander abgestimmt? Erreichen die Abteilungen ihre Ziele? Ist die Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen ein Ziel?
  • “Die Abteilung macht Verlust, obwohl alle ihre Ziele erreicht haben.” War es Abteilungsziel keinen Verlust zu machen? Passen die Teamziele zum Abteilungsziel? Sind die Ziele herausfordernd genug?
  • “Das Team ist total chaotisch und erreicht nie das Sprintziel.” Ist das Sprintziel wirklich erreichbar oder möglicherweise zu herausfordernd? Bricht das Team das Sprintziel in kleinere Einheiten herunter? Wie misst das Team seinen Fortschritt? Setzen sich die Teammitglieder persönliche Ziele? 

Haben Organisationen früher MbO wie die Sau durchs Dorf getrieben, geschieht dasselbe heutzutage mit OKR. Ausschlaggebend für die Implementierung eines Zielsystems sollte aber das Problem sein, das man lösen will. Die Tabelle zeigt recht eindeutig, dass man oft mehrere Optionen hat. Oder man baut sich passend zum Problem sein eigenes maßgeschneidertes System. Am Ende kommt es vor allem auf eine konsequente und nachhaltige Implementierung an.

Über Feedback freue ich mich wie immer!

Literatur

Andrew S. Grove 1983: High Output Management*: Vintage
John Doerr 2018: Measure What Matters*: Portfolio Penguin
Peter Drucker 2010: The Practice of Management*: Harper Business
Mike Rother 2009: Toyota Kata*: Managing People for Improvement, Adaptiveness and Superior Results: McGraw-Hill Education

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Holger Tewis

Holger Tewis ist Agile Enterprise Coach
www.holgertewis.de

250% höhere Performance mit OKR

Ideen sind leicht, Umsetzung ist hart – Guy Kawasaki

Wie so oft im Leben, braucht es eine saubere Umsetzung, um eine gewünschte Wirkung zu erzielen. Wie setzt man Objectives and Key Results aber nun in der Praxis so um, dass sie ihr volles Potential entfalten können? Bei der Einführung von Management by Objectives haben sich viele Organisationen, durch zentrale Planung und Verknüpfung von Zielen mit Gehalt und diversen Boni, von den ursprünglich bei Drucker genannten Werten meilenweit entfernt. Diese Umsetzungspraxis hat auch dazu geführt, dass OKR heutzutage vielerorts als Gegensatz zu MbO angesehen wird: 

MBOs OKRs
“Was”“Was” und “Wie”
JährlichJe nach Kontext 4-12 Wochen
Geheim und abgeschottetÖffentlich und transparent
Top-downBottom-up oder seitwärts
Mit Gehalt/Bonus verbundenGrößtenteils getrennt von Gehalt/Bonus
RisikoscheuAngriffslustig und anspruchsvoll

Diese Gegenüberstellung findet man bei John Doerr. OKRs hat er durch Andy Grove bei Intel kennengelernt. Seine nachfolgende Einführung bei Google und anderen Organisationen beschreibt er ausführlich und anschaulich in seinem Buch Measure what Matters (s.u.).

OKR nach Doerr

Objectives und Key Results sieht Doerr als das Yin und Yang des Setzens von Zielen.

Objectives beschreiben signifikant, konkret, handlungsanweisend und inspirierend was erreicht werden soll. Doerr bezeichnet sie als Impfstoff gegen unscharfes Denken.

Key Results messen und überprüfen wiederum wie die Objectives erreicht werden. Sie sind spezifisch, realistisch und gleichzeitig herausfordernd. Insbesondere sind sie jedoch messbar, haben also einen zu erreichenden Endwert, der an einem Zieltermin verifizierbar ist, etwa in Form von Gewinn, Wachstum, Aktiven Nutzern, Qualität, Sicherheit, Marktanteil oder Kundenbindung. 

Doerr empfiehlt: Key Results in Paaren definieren, um negativen Auswirkungen entgegenzuwirken. Bezieht sich ein Key Result auf eine Erhöhung der Quantität, sollte ein zweites Key Result die Qualität in den Fokus nehmen.

Zudem rät er zu einem Mix aus Output- und Input-bezogener KRs. Zum Beispiel die Durchführung von 10 Tests (Input) bei einer reduzierten Fehlerrate von 5% (Output).

Sobald man alle seine Key Results erfüllt hat, ist das dazugehörige Objective ebenfalls erreicht. Ansonsten war es von Anfang an unpräzise formuliert.

Eine strikte schrittweise Top-Down Kaskadierung von OKR ist langsam, unflexibel und zu eindimensional. Stattdessen sollten die obersten Ziele transparent kommuniziert werden und als Grundlage dienen, auf der die Mitarbeiter Bottom-up ihre Ziele selber definieren.

OKRs sollten so ambitioniert definiert werden, dass schon die Erreichung von 70% eines Key Results ein Erfolg ist. Das Setzen von solchen Stretch Goals soll einen ganz bewusst aus der Komfortzone schubsen. In Studien (Locke/Latham s.u.) hat die Performance von Personen mit den schwierigsten Zielen bis zu 250% höher gelegen, als die von Personen mit den leichtesten Zielen. Während der Umsetzung wird darüber hinaus regelmäßig bewertet, wie sicher die Zielerreichung gerade noch ist und mit der sogenannte Konfidenz festgehalten. Je nach Fortschritt bzw. Erreichungsgrad werden den Key Results dabei Ampelfarben zugeordnet. 

  • 0,7 to 1,0 = grün. (Das Ziel wurde erreicht)
  • 0,4 to 0,6 = gelb. (Fortschritt wurde erzielt, jedoch ungenügend.)
  • 0,0 to 0,3 = rot. (Es wurde kein echter Fortschritt erreicht.)

Hier ein Beispiel:

Key ResultKommentarKonfidenz
500 Produkte verkauft bis Mai470 Produkte verkauft0,9
Steve als CEO eingestelltSteve leider bei der Konkurrenz0,0
5 Tests erstellt3 von 5 fertig0,6

OKRs sind kein Wunschzettel oder eine tägliche Todo-Liste, sondern Ziele, die besondere Aufmerksamkeit bedürfen, weil sich eine starke Hebelwirkung hinter ihnen verbirgt. Die vernünftige Definition von OKRs ist eine Investition, die Zeit und Mühe braucht. Gleichzeitig sollte sie nicht an zu viel Perfektionismus scheitern – sie sind keineswegs in Stein gemeißelt und können angepasst oder verworfen werden. Wenn sie aus aktueller Betrachtung sinnlos geworden sind, folgt die Überlegung zu Lessons Learned und den daraus resultierenden Anpassungen am eigenen Vorgehen.

Eine Organisation benötigt meist ein Jahr oder auch länger, bis sie den Umgang mit OKR beherrscht. Wenn sie etabliert sind, können sie dann aber genutzt werden, um die gesamte Unternehmung schnell um Hindernisse herum und durch schwierige Passagen hindurch zu manövrieren –  wie meistert ihr Unternehmen die Corona-Pandemie?

Im nächsten Beitrag zum Thema organisatorischer Erfolg geht es dann um Nordsterne und ob sie eher als Alternative oder Ergänzung zu OKR, MbO und Co zu sehen sind.

Literatur

Andrew S. Grove 1983: High Output Management*: Vintage
John Doerr 2018: Measure What Matters*: Portfolio Penguin
Edwin Locke/Gary Latham 2017: New Developments in Goal Setting and Task Performance*: Routledge

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Holger Tewis ist Agile Enterprise Coach
www.holgertewis.de

Mit Key Results zum Unternehmenserfolg

Effektive Zielsetzung startet mit diszipliniertem Nachdenken an der Spitze, mit Führungskräften, die Zeit und Energie investieren zu entscheiden, was wirklich zählt – John Doerr

Objectives and Key Results, oder kurz OKR, wurden durch die Verwendung bei Google bekannt. Erfunden hat sie jedoch Andrew S. Grove, ein Manager bei Intel.
Nachdem wir im letzten Beitrag einen Blick auf MbOs geworfen haben, hier die Fortsetzung zum Thema organisatorische Ziele.

OKR – Objectives and Key Results

Grove beschreibt in seinem Buch High Output Management (s.u.), wie aus seiner Sicht die richtige Implementierung von MbO (Management by Objectives) aussehen sollte. Der Planungsprozess einer Organisation besteht dabei aus drei Schritten:

  1. Bedarf: Was ist im aktuellen Kontext der Organisation (Markt, Konkurrenz etc.)  nötig?
  2. Status Quo: Wo steht die Organisation mit ihren Produkten und Services im Moment?
  3. Lücke Schließen: Was muss und kann getan werden um die Lücke zwischen Bedarf und Status Quo zu schließen?

Zielorientiertes Management konzentriert sich nach Grove auf Schritt zwei und drei und macht diese konkret. Um erfolgreich zu sein müssen dabei nur zwei Fragen beantwortet werden:

  1. Ziel: Wohin wollen wir? (Objective)
  2. Schlüsselergebnisse: Wie erkennen wir, ob wir dem Ziel näher kommen? (Key Results)

Zum Festlegen der OKR von Mitarbeitern macht die Führungskraft ihre eigenen Objectives transparent. Mitarbeiter und Führungskraft einigen sich dann in freier, offener Diskussion, mit welchen eigenen Objectives der Mitarbeiter diese Ziele unterstützen kann (Delegation Level 4). So entsteht aus den Objectives von Führungskräften und Mitarbeitern eine verschachtelte, voneinander abhängige Hierarchie: Werden die Ziele der Mitarbeiter erfüllt, so werden automatisch die Ziele der Führungskraft erfüllt.

Key Results definiert ein Mitarbeiter hingegen selbst, sobald seine Ziele feststehen. Er überlegt wie er sein Vorwärtskommen messen kann und will und formuliert die Key Results so eindeutig, dass es keine Zweifel gibt, wann sie erfüllt sind. So werden sie zu einem Instrument für den Mitarbeiter, um seine eigene Leistung zu messen. Dazu müssen Key Results so terminiert sein, dass sie zeitnah Feedback geben, ob das eigene Handeln die richtige Wirkung zeigt (z.B. quartalsweise oder gar monatlich, etwa bei einer jährlichen Planung).

key results

Es ist möglich seine Objectives zu verfehlen, obwohl man alle Key Results erfüllt hat. OKR sind kein Vertragswerk auf dessen Erreichen ein Performance-Review des Mitarbeiters passieren sollte, sondern maximal ein Feedback, wie erfolgreich der Mitarbeiter war.

Wenn man Drucker und Grove direkt vergleicht, stimmen ihre Sichtweisen auf Zielorientiertes Management größtenteils überein. Grove bezieht sich ja sogar direkt auf Management by Objectives. Nur beim Festlegen der Messgrößen gibt es Unterschiede. Bei Drucker werden die  Messgrößen tendenziell von Außen geliefert, bei Grove definiert sie jeder Mitarbeiter selbst. Von Grove gibt es allerdings wenig Veröffentlichungen zum Thema, so dass ein großer Interpretationsspielraum seiner Definition von OKR bleibt.

Deswegen kommt im nächsten Beitrag einen Schüler von Grove zu Wort, der OKR bei Google eingeführt hat. John Doerr beschreibt in seinem Buch Measure what Matters (s.u.) sehr ausführlich, wie Unternehmen OKR in der Praxis anwenden sollen.

Zum Weiterlesen einfach hier klicken: OKR in der Praxis

Literatur

Andrew S. Grove 1983: High Output Management*: Vintage

John Doerr 2018: Measure What Matters*: Portfolio Penguin

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Erfolg in Organisationen durch Zielorientiertes Management

Unsere Fehlschläge sind oft erfolgreicher als unsere Erfolge – Henry Ford.

Wie kann man eine Organisation erfolgreich machen? Durch das Definieren, Kommunizieren, Umsetzen und Messen von Zielen. Genau darum geht es in diesem Beitrag.

Im Vergleich zu persönlichen Zielen liegt die besondere Herausforderung in Organisationen darin, dass es mehrere handelnde Akteure gibt, u.a. sogenannte Manager, die nicht unbedingt alle in die gleiche Richtung wollen. Daher haben sich hier auch andere Methoden für den Umgang mit Zielen entwickelt. Unter Anderem:

  • Zielorientiertes Management: Management by Objectives (MbO)
  • Ziele und Schlüsselergebnisse: Objectives and Key Results (OKR)
  • Nordstern-Konzept: True North

MbO – Management by Objectives

Drei starke Kräfte führen Management ganz natürlich in die Irre:

  1. Die spezialisierte Arbeit der meisten Manager
  2. Die hierarchische Struktur von Management
  3. Die Unterschiede in Vision und Arbeit und der resultierenden Isolation verschiedener Managementebenen

So beschreibt es jedenfalls der bekannte Management-Vordenker Peter Drucker in seinem Buch The Practice of Management (s.u.).

Drucker sagt, dass viele Manager als funktionale Manager starten und sich darauf fokussieren, ihren Bereich zum besten im ganzen Land zu machen. Das führt aber zu lokaler Optimierung, die oft schädlich für die Gesamtorganisation wird, also der globalen Optimierung im Wege steht.

ziele

Solche Manager messen ihre Performance nicht daran, wieviel sie zum Erfolg des Unternehmens beitragen, sondern an der Kunstfertigkeit und Professionalität der Ausführung ihrer Arbeit. Über die Zeit zerfallen Unternehmen dadurch in eine lose Ansammlung funktionaler Königreiche, die nur noch in Sorge um ihren Fachbereich leben. Eifersüchtig bewachen sie ihre Geheimnisse und ihr Augenmerk liegt mehr auf der eigenen Machtausdehnung als auf dem Ausbau des Gesamt-Geschäfts.

Die hierarchische Struktur birgt die Gefahr, dass beiläufige Kommentare und Angewohnheiten von Managern auf die Goldwaage gelegt werden. Um dies zu vermeiden, muss der Fokus darauf ausgerichtet werden was der Job verlangt, anstatt alleinig darauf, was der Chef verlangt.

Lokale Optimierung kann auch durch isolierte Managementebenen entstehen: Jede Ebene versucht in der Regel innerhalb ihrer vorgegebenen Rahmenbedingungen von Budget und Kompetenzen zu agieren. Kommunikation, ob eine ebenenübergreifende Lösung für die Organisation günstiger wäre, findet selten statt. Drucker illustriert dies anhand eines Bahnunternehmens, in dem hohe Kosten für den Aufbruch von Toilettentüren entstanden, weil die Nutzer den Schlüssel nicht zurück brachten. Auf oberer Ebene war beschlossen worden, dass ein Schlüssel pro Toilette reiche. Auf unterer Ebene gab es die Befugnis im Notfall Maßnahmen zu ergreifen, worunter der Aufbruch einer Toilette fiel, nicht aber die Beschaffung eines neuen Schlüssels.

Management by Objectives (MbO) soll diesen drei Kräften entgegenwirken, ohne dass eine Lücke, Reibung oder doppelte Arbeit entsteht. Erst wenn alle Mitarbeiter zum gemeinsamen Ziel der Organisation beitragen und jeder Manager auf den Erfolg des Ganzen Unternehmens ausgerichtet ist, wird die Organisation wirklich performant.

Die Objectives werden vom Ziel der Organisation abgeleitet, über die ganze Hierarchie klar formuliert und betonen von Anfang an Teamarbeit und gemeinsame Ergebnisse:

  • Welche Performance wird von der Abteilung eines Managers erwartet?
  • Mit welchen Beiträgen unterstützen er und seine Abteilung die Ziele anderer Abteilungen?
  • Welche Beiträge liefern andere Bereiche zur Abteilung des Managers?

Jeder Manager sollte die Objectives seiner Abteilung zusammen mit seinen Führungskräften entwickeln und  die Ausarbeitung der Ziele auf der höheren Organisationseinheit aktiv mitgestalten. Es reicht  nicht aus, unteren Managern nur das Gefühl zu vermitteln, eingebunden zu sein. Sie müssen die höheren Ziele mitgestalten und mittragen (meeting of minds).

MbO ermöglicht es Managern, ihre eigene Performance zu bewerten. Dadurch werden sie in die Lage versetzt, sich selbst-kontrolliert zu steuern, anstatt von höherer Stelle ständig kontrolliert und dominiert zu werden.

Nach Peter Drucker sollten Manager zu ihren Zielen mit klaren Messgrößen (Measurements) versorgt werden, anhand derer sie ihre Aufmerksamkeit und Anstrengung lenken können. Diese müssten nicht strikt quantitativ oder exakt, aber unmissverständlich klar sein und keine komplizierte Interpretation verlangen.

Im nächsten Teil schauen wir uns das Thema Objective and Key Results oder kurz OKR an.

Literatur:

Peter Drucker 2010: The Practice of Management*: Harper Business

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Holger Tewis ist Agile Enterprise Coach
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Innerer Verantwortungsprozess

Die Verantwortung für sich selbst ist die Wurzel jeder Verantwortung – Mong Dsi (300 v. Chr.)

Wie im vorletzten Blog-Beitrag beschrieben, bedeutet verantwortlich zu handeln, dass “das jeweils Notwendige und Richtige getan wird und möglichst kein Schaden entsteht”. Im Prinzip ist es also ganz einfach: Man lotet seine Optionen aus und entscheidet sich aktiv für die beste.

Leider gelingt es uns Menschen oft nicht einen kühlen Kopf zu bewahren. Gerade in schwierigen Situationen durchlaufen wir eine ganze Kette von emotionalen Zuständen, die uns die Natur mitgegeben hat. Ich möchte zwei Modelle beschreiben, die unterschiedliche Blickwinkel auf diese emotionale Reise geben:

  • Trauerkurve
  • Responsibility Process

Trauerkurve – noch geschockt oder schon frustriert?

Die Trauerkurve bei Veränderungsprozessen gibt es mittlerweile in vielen Varianten. Sie beschreibt verschiedene emotionale Zustände, die jeder von uns mit unterschiedlichem Tempo durchläuft. Veränderungen können dabei durch die unterschiedlichsten Situationen ausgelöst werden, von Offensichtlichem wie einer Entlassungswelle, bis hin zu eher subtilen Veränderungen wie der Einführung neuer Software.

trauerkurve scrumburgSobald man merkt, dass eine Veränderung naht, sinken Moral und Produktivität. Die betroffenen Menschen beginnen sich Sorgen zu machen was passieren wird und in welchem Ausmaß sie davon betroffen sind. Sobald die Veränderung verkündet ist, braucht man eine gewisse Zeit um den Schock zu überwinden. Es folgt Abwehr und wenn diese nichts bringt, stellt sich Frustration ein. Schließlich beginnt man sich mit der Veränderung zu arrangieren. Man nimmt Abschied und öffnet sich für einen konstruktiven Umgang mit der neuen Situation, bis diese vollständig in den Alltag integriert ist.

Jeder durchläuft die Kurve in einer anderen Geschwindigkeit. Und wer früher in die Veränderung eingebunden wird, ist emotional in der Regel auch schon weiter. Das führt unter Umständen dazu, dass das lang informierte Management schon in der Abschiedsphase ist, während die vor kurzem involvierte Belegschaft noch in der Abwehr-Haltung ist.

Responsibility Process

Auch der Responsibility Process von Avery beschreibt emotionale Phasen, die man nacheinander durchläuft. Während man sich bei der Trauerkurve eher als Opfer der Veränderung sieht, möchte der Responsibility Process dabei helfen aus dieser Rolle herauszukommen und Verantwortung zu übernehmen. Er kennt sieben Stufen:

  1. DENIAL: Das Leugnen der Situation.
  2. LAY BLAME: Die Schuldzuweisung an andere.
  3. JUSTIFY: Die Erklärung der Situation durch höhere Umstände.
  4. SHAME: Man beginnt den Fehler bei sich selbst zu suchen.
  5. OBLIGATION: Handeln aus Verpflichtung, um Erwartungen anderer gerecht zu werden. Hierbei fühlt man sich schlecht.
  6. QUIT: Flucht. Man ignoriert das Problem.
  7. RESPONSIBILITY: Handeln in Verantwortung. Man lotet Optionen aus und entscheidet sich für die Option, mit der man das beste Gefühl hat.

Diese Stufen werden nacheinander durchlaufen, bevor man sie mit QUIT, OBLIGATION oder RESPONSIBILITY abschließt. Ziel ist, möglichst immer in RESPONSIBILITY zu handeln. Nur dann fällt die Last von einem ab und man kann sich wieder zu 100% engagieren. Ein ausführliches Beispiel inkl. passender Übung findet ihr HIER.

Literatur:

(1) Christopher Avery 2016: The Responsibility Process*: Unlocking Your Natural Ability to Live and Lead with Power: Partnerwerks

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Team-Verantwortung oder Einzel-Verantwortung

Wenn Spinnen vereint weben, können sie einen Löwen fesseln – Äthiopisches Sprichwort

Viele glauben, dass Verantwortung für ein Thema immer bei genau einer Person liegen sollte. Dies wird gerechtfertigt mit Sprüchen wie: “Sind alle zuständig, dann trägt keiner Verantwortung.” oder “Viele Köche verderben den Brei.”

Natürlich ist es schlecht, wenn sich keiner verantwortlich fühlt, aber in manchen Fällen macht es die Benennung einer einzelnen Person noch schlimmer. Das kann man in einigen Unternehmen am Zustand der Büroküche sehen. Räumt die Reinigungsfachkraft mehrfach am Tag auf, machen sich wenige Mitarbeiter noch die Mühe ihre Kaffeetasse selbst in den Geschirrspüler zu stellen. Wenn die Fachkraft dann ausfällt, wird die Küche innerhalb weniger Stunden zum Saustall.

Verhalten sich die Mitarbeiter bei der Produktentwicklung genauso, entstehen Produkte, die qualitativ minderwertig sind oder die Entwicklung wird schneckenlangsam, weil überall auf den einen gewartet wird, der verantwortlich ist, sei es für Design, Architektur, Implementierung oder Qualitätssicherung.

Deswegen ist es oft eine gute Idee, die Verantwortung nicht auf einzelne Personen, sondern auf ein ganzes Team zu übertragen. Ein Scrum Entwicklungs-Team wird zum Beispiel immer als ganzes in die Verantwortung genommen:

Einzelne Mitglieder des Entwicklungsteams können zwar spezialisierte Fähigkeiten oder Spezialgebiete haben, aber die Rechenschaftspflicht obliegt dem Team als Ganzem. (Scrum Guide)

Es braucht bestimmte Rahmenbedingungen, damit Teams wirklich mehr sind als nur die Summe ihrer Mitglieder. Das Aristoteles Projekt von Google hat folgende Faktoren von effektiven Teams festgestellt:

  • Psychologische Sicherheit: Die Teammitglieder fühlen sich sicher dabei, Fragen oder Ideen zu äußern, ohne als unwissend, inkompetent, negativ oder störend abgestempelt zu werden.
  • Verlässlichkeit: Die Mitglieder liefern ihre Arbeit zuverlässig, pünktlich und in hoher Qualität ab
  • Struktur und Klarheit: Jeder versteht, was von ihm erwartet wird, wie er die Erwartungen erfüllen kann und wie sich die eigene Leistung auf die Teameffektivität auswirkt. Spezifische, herausfordernde aber erreichbare Ziele.
  • Sinnhaftigkeit: Das Erkennen eines Sinns in der Arbeit selbst oder in ihrem Ergebnis.
  • Auswirkung: Das Gefühl einen signifikanten Unterschied zu machen.

Wenn es um Richtungsentscheidungen, Ziele und Prioritäten geht, ist es dagegen meistens besser einen einzelnen Verantwortlichen zu haben. Ansonsten entstehen Machtkämpfe oder faule Kompromisse. Ein Scrum Product Owner ist zum Beispiel immer genau eine Person, keine Komitee oder eine Doppelspitze.

Es sollte also eine Person geben, die das Was? festlegt und die Richtung vorgibt und ein Team, welches das Wie? bestimmt und die Umsetzung macht. Dabei kann es verschiedene Strategien geben, wie man Teams führt. Henrik Kniberg hat zum Beispiel für Spotify beschrieben, wie dort viele Teams gemeinsam an einem Produkt arbeiten. Die Teams sollen dort möglichst autonom agieren, damit sie nicht auf andere warten müssen. Gleichzeitig brauchen die Teams eine gute gemeinsame Ausrichtung (Alignment), damit das Produkt am Ende aus einem Guss ist und nicht zu einem Frankenstein-Monster wird. spotify

Im nächsten Beitrag betrachten wir den inneren Verantwortungsprozess aus der Reihe zum Circle of Personal Agility.

Literatur:

(1) Charles Duhigg 2016: What Google Learned From Its Quest to Build the Perfect Team: New York Times

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Verantwortung & Macht

“Ich übernehme die volle Verantwortung!”

Ein Satz, den man oft zu hören bekommt, wenn etwas schief gelaufen ist. Meistens tritt der Sprecher dann sofort von allen Ämtern zurück oder macht einfach gar nichts – die Aussage genügt sich selbst.

Was bedeutet es, wenn man Verantwortung hat oder übernimmt? Die Definition aus dem Duden beschreibt Verantwortung so:

[mit einer bestimmten Aufgabe, einer bestimmten Stellung verbundene] Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass (innerhalb eines bestimmten Rahmens) alles einen möglichst guten Verlauf nimmt, das jeweils Notwendige und Richtige getan wird und möglichst kein Schaden entsteht (Duden)

Ein Beispiel macht es anschaulicher: Stellen Sie sich vor Sie seien Ersthelfer bei einem Unfall mit Personenschaden:

Aufgabe: Erste Hilfe leisten
Stellung: Ersthelfer
Verpflichtung: Hilfe holen und helfen
Rahmen: Ihre Fähigkeiten und Erfahrungen
Guter Verlauf: Sicherung der Unfallstelle, Versorgung der verletzten Personen, Gefährdungssituation beseitigt
Tätigkeiten: Umgebung absichern, Notruf absetzen, Ansprechbarkeit prüfen, Gesundheitszustand der Person ermitteln, stabile Seitenlage herstellen, Herz-Druck-Massage etc.

Der Grad der Verantwortung hängt also nicht ausschließlich von der Aufgabe, sondern auch von der Rolle (Stellung) Ersthelfer ab. Ein ausgebildeter Notarzt oder Rettungssanitäter hätte bei gleicher Aufgabe eine viel größere Verantwortung.

In Unternehmen verhält es sich ähnlich. Geschäftsführung und Management sind für das Tragen von Verantwortung und den Umgang der damit verbundenen Macht hoffentlich entsprechend ausgebildet oder wenigstens besser darauf vorbereitet, als ihre Mitarbeiter.

Verantwortung und Macht im richtigen Maß

Macht und Verantwortung sind untrennbar miteinander verbunden – Konrad Adenauer.

Bei wachsender Unternehmensgröße kann die Ansammlung von zuviel Verantwortung an einer zentralen Stelle sich schnell negativ auswirken. Der Entscheider wird zum prozessualem Flaschenhals der Organisation. Hier ist Delegieren im richtigen Maße gefragt: die Entscheidung wer, welche und wie viel Verantwortung und Macht für wie lange und für welche Situationen übertragen bekommt.

Frisch ernannte Führungskräfte fallen oft in eines von zwei Extremen. Viele starten als Micro-Manager, bestimmen überall mit und geben keine Verantwortung und Macht ab. Ihre Mitarbeiter entscheiden nichts alleine und sichern sich laufend beim Manager ab. Der Manager wird zum Flaschenhals.
Andere Jung-Manager setzen auf maximale Freiheit ohne jegliche Rahmenbedingungen. Ihre Mitarbeiter entscheiden alles selbst, aber es gibt keine gemeinsame Linie, so dass die Abteilung wenig erreicht oder sogar gegeneinander gearbeitet wird. Dies kann im weitesten Sinne als natürliche Selbstorganisation verstanden werden, führt jedoch nur selten zum langfristigen Überleben der Organisation. Bereits ab ein paar Dutzend Menschen im Unternehmen kann der einzelne Mitarbeiter nicht mehr die Auswirkungen seiner individuellen Leistung oder die seines Teams zum Wohl der Gesamtorganisation einschätzen.

Erfahrene Manager vermeiden daher diese Extrem-Varianten und suchen angemessene Lösungen dazwischen. Ein etabliertes Tool für diesen Zweck ist Delegation Poker von Jurgen Appelo (1).

Es differenziert Delegation in 7 verschiedene Stufen:

  1. Der Manager trifft eine Entscheidung ohne sie zu erklären
  2. Der Manager trifft eine Entscheidung, erklärt dem Mitarbeiter aber seine Gründe
  3. Der Manager berät sich mit dem Mitarbeiter bevor er eine Entscheidung trifft
  4. Manager und Mitarbeiter entscheiden gemeinsam
  5. Der Mitarbeiter entscheidet, nachdem er sich mit dem Manager beraten hat
  6. Der Mitarbeiter entscheidet, aber der Manager informiert sich darüber
  7. Der Mitarbeiter trifft die Entscheidung ohne sich rechtfertigen zu müssen

Spielen Sie Delegation Poker, wenn Sie den Grad einer Delegation festlegen möchten. Man definiert das Thema der Delegation und jeder Teilnehmer wählt verdeckt eine Delegationsstufe aus. Dann drehen alle ihre Karten um und das Ergebnis wird diskutiert.

Man kann zahlreiche Kriterien bei der Auswahl der Delegations-Stufe heranziehen. Die wichtigsten sind:

  • Kompetenz/Erfahrung des Mitarbeiters
  • Auswirkung/Risiko der Aufgabe

Zu beachten ist auch, dass man nicht zu kleinteilig delegiert, sondern eher in gröberen Verantwortungsbereichen, sogenannten Key Decision Areas.

In den nächsten Beiträgen betrachten wir die Themen Verantwortung für Teams und den inneren Verantwortungsprozess aus der Reihe zum Circle of Personal Agility.

Literatur:

(1) Jurgen Appelo 2011: Management 3.0*: Leading Agile Developers, Developing Agile Leaders (Addison-Wesley Signature Series (Cohn)): Addison-Wesley

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Das Große Ganze – Komplexität

Organisationen sind komplexe Systeme. Man kann sie nicht aufschrauben und einfach umbauen, wie Maschinen. Wenn man es doch versucht, scheitert man in der Regel. Deswegen sollte man verstehen was die Unterschiede zwischen komplizierten, komplexen und anderen Systemen sind und welche Herangehensweise jeweils angemessen ist.

Dave Snowden hat mit dem Cynefin Framework ein Modell erarbeitet, anhand dessen man vier Arten von Systemen unterscheiden kann.

 

Offensichtlich: Die Milch kocht über? Ich schalte den Herd aus und nehme den Topf von der heißen Platte. Über offensichtliche Systeme muss man nicht lange nachdenken. Man erkennt es, beurteilt es und reagiert. Es gibt in der Regel nur eine beste Lösung, die sogenannte Best Practice.

Kompliziert: Befindet man sich in einem komplizierten System, braucht man einen Experten. Sein Auto lässt man vom Kfz-Mechaniker reparieren, mit Zahnschmerzen geht man zum Zahnarzt. Diese analysieren das Problem, wählen die passendste Lösung aus und setzen sie um. Schon hier gibt es keine Best Practice mehr, sondern nur noch Good Practices, Optionen die jeweils Vor- und Nachteile haben.

Chaotisch: Die Cynefin-Beispiele für den chaotischen Bereich sind bürgerkriegsähnliche Zustände oder Natur-Katastrophen. Erfolgreiches Vorgehen besteht in diesen Situationen im Stillen der Blutung durch klare Führung, also z.B. Ausgangssperren oder großflächige Evakuationen.

Komplex: Bei organisatorischen Veränderungen hat man es in der Regel wie gesagt mit einem komplexen System zu tun. In diesen Systemen gibt es kein einfaches Erkennen von Ursache und Wirkung mehr. Sie sind unvorhersehbar und instabil. Hier hilft nur, Dinge auszuprobieren, Experimente zu machen und dann zu schauen, wie das System reagiert.

Ich möchte dies an einem Beispiel illustrieren: Ein Team kommt nach Empfinden des Management nicht schnell genug voran. Es stellt die Vermutung auf, dass es an Expertenwissen fehlt und ein Experte aus einer anderen Abteilung wird in das Team versetzt. Nach einigen Wochen stellt man fest, dass das Team noch langsamer geworden ist. Daraufhin beschließt das Management den Experten wieder zu entfernen, weil es ja vorher zumindest etwas besser war. Das Team wird nun noch langsamer als es mit dem Experten war. Zudem kündigt ein Mitarbeiter und einer wird über mehrere Wochen krank geschrieben.

Was war passiert? Die Einarbeitung des vermeintlichen Experten hatte so viel Zeit gekostet, dass wichtige Dinge liegen geblieben waren, wodurch das Team langsamer wurde. Dennoch war die Motivation im Team gut, weil man durch die zusätzliche Person Licht am Ende des Tunnels sah. Gerade als der Experte eingearbeitet war, riss dem Management der Geduldsfaden und es entfernte den Experten wieder. Nun musste das restliche Team allein die liegengebliebenen Dinge aufholen und war zudem frustriert, weil die gegebene Unterstützung wieder zurückgezogen worden war. Frustration und Überlastung führten zu Kündigung und Krankheit.

Im Nachhinein findet man für solche komplexen Vorgänge oft plausible Erklärungen. Die Situation könnte sich aber auch ganz anders entwickeln. Vielleicht ist fehlende Expertise gar nicht das Problem, sondern Konflikte im Team, ein schlechter Prozess oder fehlende Mitbestimmung. Vielleicht passt der Experte persönlich nicht gut ins Team und würde dieses auch langfristig bremsen.

Bei Experimenten im Umgang mit komplexen Systemen sollte man stets darauf achten, dass die Experimente safe-to-fail sind, also die Firma am Leben bleibt, selbst wenn es fehlschlägt.

Bei größeren Veränderungen in Unternehmen gibt es viele Fallen in die man tappen kann. John P. Kotter hat schon 1995 die acht größten herausgearbeitet:

  1. Die Dringlichkeit der Veränderung wird nicht genügend motiviert
  2. Eine zu schwache Koalition der Willigen, die die Veränderung antreiben
  3. Die Vision für die Veränderung fehlt
  4. Die Kommunikation der Vision wird massiv versäumt
  5. Hindernisse, die der Vision entgegenstehen, werden nicht beseitigt
  6. Kurzfristige Erfolge werden nicht systematisch geplant und erreicht
  7. Der Abschluss der Veränderung wird zu früh gefeiert
  8. Die Veränderung wird nicht in der Organisationskultur verankert

Dies war der dritte und letzte Abschnitt zum Thema “das Große Ganze”. Die Beiträge zum Thema Interessen und Organisationsstrukturen finden Sie hier:

Literatur:

(1) Kotter, John P. 2012: Leading Change*: Harvard Business Review Press

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Das Große Ganze – Organisationsstrukturen

Es gibt keine guten oder schlechten Organisationsstrukturen. Es gibt nur angemessene und unangemessene.  – Harold Kerzner

Nach der Betrachtung der Interessen organisatorischer Akteure, werden wir uns nun um Organisationsstrukturen kümmern. Es gibt einige grundsätzliche Konzepte dazu, die man kennen sollte, wenn man seinen Blick für “das Große Ganze” schärfen möchte.

Gruppen, Teams und ihre Ausprägungen

Sobald man mehrere Mitarbeiter hat, kann man diese als Gruppe organisieren. Vielleicht haben sie denselben Chef, machen dieselbe Arbeit oder sind im selben Monat eingestellt worden. Gruppen haben eine Reihe von Vorteilen:

  • Ausfallsicherheit (Vertretung bei Urlaub und Krankheit)
  • Motivation: Zusammengehörigkeitsgefühl stärkt die sozialen Beziehungen

Ein Team wird aus einer Gruppe erst, wenn an einem gemeinsamen Ziel gearbeitet wird, was Zusammengehörigkeitsgefühl und Motivation nochmal vervielfachen kann.

Oft hört man die Empfehlung, dass man Cross-Funktionale Teams braucht, also Teams, in denen Mitarbeiter unterschiedlicher Expertise gemeinsam an einem Ziel arbeiten. Solche Teams sind besonders dort unschlagbar, wenn es um komplexe innovative Aufgaben geht. Zum Lösen solcher Aufgaben muss viel experimentiert werden und dafür hat sich intensive direkte Kommunikation bewährt. Es ist kein Wunder, dass Cross-Funktionale Teams gerade in Methoden für Software-Entwicklung wie Scrum gefordert werden.

Braucht man für seine Buchhaltung deshalb ein Cross-Funktionales Team? Wahrscheinlich meistens nicht.

Führungsstrukuren

In vielen Firmen ergibt sich automatisch ein sogenanntes Einliniensystem, eine klassische Hierarchie, in der es jeden genau einen Chef gibt, der für alle Belange Weisungsbefugnis hat. Der Geschäftsführer setzt Manager ein, die dann für Teilbereiche des Unternehmens Weisungsbefugnis haben. Diese setzen dann weitere Manager für noch kleinere Bereiche ein. Alle Bereiche sind überschneidungsfrei. Wikipedia beschreibt sehr schön was entsteht:

Das Ergebnis dieses Konzeptes ist eine straffe, übersichtliche Organisation, in der Kompetenzüberschneidungen vermieden werden. Durch die klare Abgrenzung von Verantwortungsbereichen lässt sich die Umsetzung von getroffenen Entscheidungen gut verfolgen und kontrollieren. (Wikipedia)

Mit Personen zu sprechen, mit denen man keine direkte Verbindung über die Linie hat, ist dann in der Reinform des Systems schon eine Kompetenzüberschreitung.

In Mehrlinien-Systemen wie einer Matrixorganisation kann man für unterschiedliche Themen mehrere Chefs haben, z.B. einen Vorgesetzten für die disziplinarische Leitung und einen Projektmanager für die fachliche Weisungsbefugnis. Das führt natürlich in der Praxis zu Konflikten, wenn beispielsweise der disziplinarische Chef entscheidet, jemandem von einem Projekt abzuziehen.

Wenn man nicht genau hinguckt, wirken auch agile Systeme wie Mehrlinien-Systeme. Im Scrum-Framework ist der Product Owner zuständig für die fachlichen Inhalte und der Scrum Master für die Organisation des Teams. Manche Firmen benennen ihre Projekt-Manager und Team Leads einfach um, machen ansonsten aber so weiter wie bisher und verschlimmbessern ihre Organisation dadurch eher.

Echte Agile Organisationen haben aber einen Paradigmen-Wechsel vollzogen. Es wird nicht mehr in Linien, Weisungen und Kompetenzüberschreitungen gedacht, sondern in Selbstorganisierten Teams, Coaching und Lernen durch Fehler.

Selbstorganisierte Teams entscheiden selber wie sie arbeiten möchten und welche Prozesse sie dafür nutzen. Kein Manager darf von Außen vorschreiben wie sie zu arbeiten haben. Im Gegenteil muss das Management dafür sorgen, dass ein Team die Rahmenbedingungen bekommt um optimal zu arbeiten. In gewisser Weise dreht sich dadurch die Hierarchie um und der Manager wird zum Servant Leader, der seine Führung kompromisslos auf die Interessen der Geführten ausrichtet.

Agiles Arbeiten und Selbst-Organisation sind anspruchsvoll und funktionieren dann optimal, wenn Konflikte und Probleme schnell sichtbar und bearbeitet werden. In der klassischen Hierarchie werden insbesondere persönliche Probleme selten direkt dem Chef gemeldet, aus Angst sich die Karriere zu ruinieren. Besser funktioniert der Einsatz von Coaches, die mit Teams und einzelnen Mitarbeitern an Konflikten und Selbst-Organisation arbeiten. Sie behalten die Details von Konflikten für sich, so dass offen und frei über Fehler gesprochen und lösungsorientiert über Verbesserungen diskutiert werden kann. Ein Agiler Coach kennt sich zudem mit agilen Methoden und Arbeitsformen wie Scrum oder Kanban aus.

Eine eigene Organisationsstruktur bauen

Anstatt das Rad neu zu erfinden kann man sich erfolgreiche Organisationen als Vorbild nehmen. Besonders Toyota und Spotify werden hier häufig genannt. Toyota war einer der Vorreiter für Produktivitätssteigerung in der Autoindustrie. In dem Bewusstsein, dass dies vor allem durch die Toyota-Kultur ermöglicht wurde, hatte die Firma nie ein Problem damit, Außenstehenden ihre Prozesse und Strukturen offen zu legen. Auch Spotify hat sehr transparent beschrieben wie seine internen Strukturen mit Tribes und Squads aussehen. Andere Firmen haben versucht die Strukturen von Toyota und Spotify zu kopieren und sind damit so oft und krachend gescheitert, dass mittlerweile viele Präsentation mit einer Warnung beginnen:

Kopieren Sie nicht einfach die Organisationsstruktur von anderen, sondern entwickeln sie selber eine Struktur, die zu ihrem Unternehmen passt. (siehe z.B. Mgmt3.0-Blog)

Ein Tool um die eigene Unternehmensstruktur neu zu gestalten ist Meddlers aus dem Management3.0-Kanon. Hier baut man seine Organisation aus Sechsecken und Quadraten auf und kann sie spielerisch verändern. Die Sechsecke repräsentieren Teams und die Quadrate Rollen. Größe und Form dieser Vielecke laden dazu ein, einem Team nicht zu viele Schnittstellen nach außen zu geben und die Teamgröße nicht zu groß werden zu lassen.

Hier ein paar Daumenregeln, die im Management3.0-Training empfohlen werden:

  • Teams klein halten (3-7 Personen)
  • Eher Cross-funktionale Teams als Funktionalen Teams bauen
  • Von Mitarbeitern ausgehen, die sowohl spezialisiert sind als auch generalisiert arbeiten können (T-Skill)
  • Teams und größere Organisations-Einheiten als Value Units bauen, sie also so schneiden, dass sie ihre Dienstleistungen unabhängig von anderen anbieten können.

Das Material für Meddlers kann man auf der Management3.0-Seite herunterladen (LINK).

Im nächsten Beitrag betrachten wir das Thema Komplexität.

Literatur:

(1) Appelo, Jurgen 2010: Management 3.0* Leading Agile Developers, Developing Agile Leaders: Addison-Wesley

holger

Holger Tewis ist Agile Enterprise Coach
www.holgertewis.de

Das Große Ganze – wie alles ineinander greift

“Erfolgreiche Führungskräfte haben einen klaren Blick auf das große Ganze und schaffen es, diese Vision auf so prägnante und passende Weise zu übermitteln, dass sie andere Menschen inspiriert und motiviert.” – Alistair Cox

Welchem Zweck dienen all die einzelnen, kleinen Maßnahmen, die in Ihrer Firma passieren? Passen sie zu einem gemeinsamen Ziel? Oder stellt sich Frust ein, weil die Organisation in Kleinkram erstickt?

Erfolgreiche Personen schaffen es, übergreifende Muster zu erkennen, sie im Blick zu behalten und wirkungsvoll zu kommunizieren. Durch ihre systemische Kompetenz und ihr Wissen über komplexe Systeme und Organisations-Strukturen können sie zielführend auf neue Situationen reagieren und ihr Unternehmen aktiv mitgestalten. Um den Blick für “das Große Ganze” zu schärfen, muss man sich mit drei Bereichen beschäftigen:

Interessen: Die systematische Beschäftigung mit Akteuren in einer Organisation, ihren Erwartungen und Zielen.

Strukturen: Betrachtung von organisatorischen Strukturen, ihren Vor- und Nachteilen.

Komplexität: Die Einordnung von Systemen und der Umgang mit ihrer Veränderung.

Interessen

Kleine Kinder können sich nicht vorstellen, dass andere Menschen die Welt anders sehen, als sie selbst. Die meisten von uns lernen aber bald, dass es zur eigenen Perspektive Alternativen gibt. Ein nützliches Instrument ist, sich die Interessen der Kollegen und Manager in der Organisation bewusst zu machen.

Interesse: Eine Konstellation von Akteuren oder von Akteur und begehrtem Gut, die durch – in bestimmten Bedürfnissen verwurzelte – Anteilnahme und Neigung, aber auch durch Erwartung eines Nutzens oder Vorteils geprägt ist. (1)

Die Stakeholder Adoption Matrix hilft dabei sich die Interessen von Akteuren strukturiert zu betrachten und daraus Handlungen abzuleiten. Nutzen Sie diese, wenn Sie eine Veränderung bewerten oder durchführen wollen. So gehen Sie vor:

  1. Sammeln Sie die wichtigen Akteure als Post-Its. Je nach Einstellung zur Veränderung auf grünen, blauen oder roten post-its.
  2. Ordnen Sie die Post-Its horizontal in 5 Adoption Gruppen: Wer sind die Innovatoren, die sich für neue Idee begeistern? Wer sind die Meinungsführer, die offen für Neues sind (Early Adopters)? Wer gehört zur aufgeschlossenen oder skeptischen Mehrheit und wer ist eher ein Laggard (Zauderer)? Grüne Post-Its hängen wahrscheinlich weiter links, rote weiter rechts.
  3. Sortieren Sie die Post-Its nun vertikal danach, wieviel Einfluss die Akteure auf die Transition nehmen (können).

Jetzt haben Sie ein Bild der potentiellen Unterstützer und wer sich möglicherweise gegen die Veränderung stellt und können angemessene Handlungen ableiten.

Weiter Infos zur Matrix: LINK

In den nächsten Beiträgen folgen Organisationsstrukturen und Komplexität.

Literatur:

(1) Schmidt, Manfred G. 2010:  Wörterbuch zur Politik*: Alfred Kröner Verlag

(*) Affiliate-Links.

holger

Holger Tewis ist Agile Enterprise Coach
www.holgertewis.de